Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 26.05.2003; Aktenzeichen 4 O 39/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 26.5.2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Essen wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers übersteigt nicht 20.000 Euro.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 ZPO EGZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß §§ 281 Abs. 1, 280 Abs. 1 und 3, 433 BGB.

Es kann dahingestellt bleiben, ob durch die Bestellung des Klägers vom 29.4.2002 per e-mail und durch die Bestätigung der Beklagten ebenfalls vom 29.4.2002 per e-mail ein Kaufvertrag zustande gekommen ist oder ob es sich bei der Bestätigung der Beklagten allein um eine Zugangsbestätigung i.S.d. § 312e Abs. 1 Ziff. 3 BGB handelt.

Denn ein solcher Kaufvertrag wäre jedenfalls wirksam von der Beklagten gem. § 142 BGB angefochten worden.

Bei der e-mail vom 3.5.2002 handelt es sich um eine Anfechtungserklärung gem. § 143 BGB und nicht nur um eine Entschuldigungsmail. Unerheblich ist nach allgemeiner Meinung (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 143 Rz. 3; BGH v. 22.2.1995 - IV ZR 58/94, MDR 1995, 1207 = NJW-RR 1995, 859), dass die Formulierung "Anfechtungserklärung" in dem Schreiben nicht enthalten ist; es reicht aus, wenn die Erklärung erkennen lässt, die Partei wolle aus einem in den §§ 119 ff. BGB genannten Gründen das Geschäft nicht gelten lassen. Das ist hier der Fall. In der e-mail vom 3.5.2002 heißt es u.a.:

"Aus diesem Grund können wir im Rahmen unserer allgemeinen Geschäftsbedingungen die von Ihnen bestellten Artikel leider nicht ausliefern."

Die e-mail der Beklagten vom 3.5.2002 bringt damit klar zum Ausdruck, dass die Beklagte sich nicht an dem vermeintlich geschlossenen Vertrag festhalten lassen will. Auch wird der Grund dafür mitgeteilt, indem darauf hingewiesen wird, dass beim Einspielen der neuen Preislisten durch einen Dienstleister ein Fehler passiert sei, der das Komma im Preis um zwei Stellen nach vorne habe rutschen lassen.

Die Anfechtungserklärung ist auch von der Anfechtungsberechtigten, der Beklagten, abgegeben worden. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Zeuge ... die Anfechtungserklärung vom 3.5.2002 als Vertreter für die ... gem. § 164 BGB abgegeben hat. Der Zeuge ... hat ausgesagt, die e-mail vom 3.5.2002 sei von ihm veranlasst worden. Er selbst arbeite als Berater im Rang eines Abteilungsleiters bei der ..., welche in organisatorischer Hinsicht wie eine eigene Filiale anzusehen ist. Sein Arbeitsbereich umfasse den Kundenservice. Das bedeute, dass er für die Tätigkeit zuständig sei, die von der Bestellung einer Ware bis zur vollständigen Abwicklung dieser Bestellung anfalle; auch sei er bevollmächtigt, Anfechtungserklärungen abzugeben.

Die Beklagte hatte auch einen Anfechtungsgrund, und zwar aus § 120 BGB. Auch eine automatisierte, vom Computer erstellte Erklärung unterliegt den Regeln der Willenserklärung und ist damit einer Anfechtung zugänglich (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 120 Rz. 2; OLG Frankfurt NJW 2003, 450 [451]; Hoffmann, NJW 2003, 2576 [2577]). Dass es sich vorliegend bei der Annahmeerklärung - wenn man denn die e-mail vom 29.4.2002 so auslegt - um eine derartige automatisierte Computererklärung handelt, wird aus dem Zeitablauf deutlich. Unstreitig ist die Bestätigung des Auftrags des Klägers einige Sekunden nach Eingang der Bestellung erfolgt. Auch aus dem sonstigen Text wird deutlich, dass es sich um eine Erklärung handelt, die von einem Rechner infolge einer entsprechenden Programmierung automatisch erstellt und dann an den Computer des Klägers elektronisch übermittelt wurde. Da aber der Rechner nur Befehle ausführt, die zuvor mittels Programmierung von Menschenhand festgelegt worden sind, hat jede automatisch erstellte Computererklärung ihren Ursprung in einer menschlichen Handlung, die von dem Erklärenden veranlasst wurde und die auf seinen Willen zurückgeht. Auch Computererklärungen sind deshalb als Willenserklärungen dem jeweiligen Betreiber zuzurechnen.

Eine Erklärung des Inhalts, nämlich zum Preis von 1,88 Euro pro Stück dem Kläger die 99 Speichermodule zu liefern, hat die Beklagte nicht abgeben wollen. Vielmehr glaubte sie, wie aus der Aussage des Zeugen ... deutlich geworden ist, mit dem Kläger auf der Basis der von ihr angegebenen Preise zu kontrahieren. Der Irrtum, der der Beklagten unterlaufen ist, unterliegt den Regeln des Übermittlungsirrtums gem. § 120 BGB. Zurückzuführen ist dieser Irrtum auf eine von der Beklagten zunächst nicht bemerkte Aktivierung einer falschen Funktion beim Einspielen der neuen Preislisten durch einen Dienstleister, die letztlich bewirkte, dass ein viel zu geringer Preis in die Internet-Datenbank transportiert wurde.

Zwar betraf diese unrichtige Übermittlung nicht unmittelbar die Annahmeerklärung der Beklagten. Geg...

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