Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Chirurgen bei Lipom-Entfernung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Chirurg, der bei einer operativen Entfernung eines Lipoms keinen sterilen Kittel trägt und dessen im Operationsraum anwesende Helferin weder Kopfbedeckung noch Mundschutz trägt, handelt fehlerhaft. Trotz Verletzung des Hygienestandards liegt in diesem Fall nur ein einfacher Behandlungsfehler vor. Die Beweislast für die Kausalität der Verletzung der Hygienevorschriften für eine durch Streptokokken der Serogruppe A hervorgerufene Infektion trägt daher der Patient.

2. Vor einer operativen Lipomentfernung braucht über das Risiko einer nekrotisierenden Fasziitis nicht aufgeklärt zu werden. Auch eine Operationsempfehlung für eine nur relativ indizierte Lipomentfernung ist nicht fehlerhaft, wenn dem Patienten die voraussichtliche Gutartigkeit der Geschwulst und die Behandlungsalternative des Abwartens bewusst sind.

 

Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Urteil vom 26.02.2004; Aktenzeichen 5 O 109/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 26.2.2004 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Siegen wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des LG wird Bezug genommen, § 540 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Das LG hat die Klage nach Vernehmung der Zeuginnen A.A. und M. sowie der Einholung eines schriftlichen Gutachtens der Sachverständigen Dr. T./Dr. D. vom 12.8.2003 mit der Begründung abgewiesen, dass Behandlungsfehler ebenso wie die geltend gemachten Hygienemängel nicht festgestellt werden könnten. Der vom Beklagten am 28.4. durchgeführte ambulante Eingriff beim Kläger sei medizinisch indiziert gewesen und die postoperative Nachsorge habe der angemessenen Behandlungssorgfalt entsprochen. Auch die Aufklärung des Beklagten hinsichtlich des operativen Eingriffs sei nicht zu beanstanden.

Mit der eingelegten Berufung wendet der Kläger ein, das LG habe keine gutachterliche Prüfung der erhobenen Hygienemängel durchgeführt, das vorgelegte Privatgutachten Dr. D. vom 14.11.2003 (Bl. 148 ff. GA) übergangen und die beantragte Anhörung des Sachverständigen nicht vorgenommen. Im Einzelnen macht der Kläger, der seine Klage hinsichtlich des Zinsantrages erweitert, geltend:

Die von ihm erteilte Einwilligungserklärung vom 23.4.1999 (Bl. 132 GA) sei unwirksam, da er nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei. Im Verlaufe des Beratungsgespräches vom 23.4.1999 habe der Beklagte stets geäußert, die Geschwulst müsse zwingend entfernt werden, insb. auch deshalb, weil sie im Falle einer Bösartigkeit aufgrund ihrer Lage besonders gefährlich sein könne. Hierbei habe der Beklagte - dem die psychotische Angst des Klägers vor Verletzungen bekannt gewesen sei - keine Alternativbehandlungen erwähnt, insb. nicht die vom Privatgutachter Dr. D. als bessere Behandlungsalternative befürwortete abwartende Beobachtung der Geschwulst.

Aufgrund der fehlenden Beschwerdesymptomatik, der allenfalls relativen Indikation und insb. der besonderen psychischen Verfassung des Klägers sei daher die Aufklärung unzureichend und fehlerhaft gewesen, da eine abwartende Behandlung des erst kurz zuvor entdeckten und ohnehin höchstwahrscheinlich ungefährlichen Lipoms vorrangig gewesen sei. Der Eingriff vom 28.4.1999 sei geradezu kontraindiziert gewesen, was der gerichtliche Sachverständige aufgrund einer Fehlinterpretation der psychischen Verfassung des Klägers verkannt habe.

Außerdem sei auch eine spezielle Aufklärung über das - wenn auch seltene - Risiko einer nekrotisierenden Fasziitis geboten gewesen. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte der Kläger keinerlei Eingriff vornehmen lassen, zumindest nicht zu jenem Zeitpunkt.

Daneben beruft sich der Kläger auch auf Behandlungsfehler.

Der Beklagte habe elementare Hygieneanforderungen bei dem Eingriff am 28.4.1999 missachtet und dadurch grobe Verstöße begangen. Weder er noch die Helferin A. hätte die für die Infektionsprävention erforderliche Schutzkleidung getragen. Insbesondere die Zeugin A. habe keinerlei Schutzkleidung und auch keine speziellen Schuhe im OP-Raum getragen. Außerdem verweist der Kläger erneut auf den Gesundheitszustand der Zeugin zu jenem Zeitpunkt, die noch im Operationsraum ein Taschentuch in der Hand gehalten habe und noch erkrankt gewesen sei.

Auch der Bereich der operativen Nachsorge sei mangelhaft gewesen. Am 29.4.1999 seien keine weiteren Untersuchungsmaßnahmen zur Abklärung erfolgt, obgleich wegen der Rötung der Wunde ein Wundabstrich geboten gewesen sei. Außerdem sei die Wunde auch bereits geschwollen gewesen. In Bezug auf den 30.4.1999 ist der Kläger der Ansicht, dass die Tätigkeit des Beklagten unzureichend gewesen sei, insb. da nicht der Beklagte s...

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