Leitsatz (amtlich)

1. Bei Vorhandensein weiteren Vermögens im Zeitpunkt der Testamentserrichtung kann die Auslegung ergeben, dass die Zuwendung der im gemeinsamen Eigentum der Eltern stehenden Immobilie keine Bestimmung des Schlusserben ist, sondern die Anordnung eines Vermächtnisses.

2. Ist der Erbe zugleich Vermächtnispartner, dann kann er Beeinträchtigungen in seiner Stellung als Vermächtnisnehmer nur entsprechend der Vorschrift des § 2288 BGB geltend machen.

 

Normenkette

BGB §§ 2287-2288

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 06.12.2012; Aktenzeichen 2 O 319/11)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 6.12.2012 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Essen wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufungsinstanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über etwaige Rückgewähransprüche der Klägerin infolge einer am 10.12.1993 vereinbarten Grundbesitzübertragung seitens der späteren Erblasserin I P, geb. S, auf den Beklagten, ihren Enkel.

Die am 8.11.1929 geborene Erblasserin P war mit dem früheren Bergmann P2 P, geb. am 15.6.1920 verheiratet. Aus der Ehe entstammten zwei Töchter, die Klägerin (geboren 1951) und Frau L2, geb. P (geboren 1951) - die Mutter des Beklagten.

Die Eheleute P2 und P hatten in den Jahren 1974/1975 gemeinsam zu je ½ Miteigentumsanteil eine mit einem Doppelhaus bebaute Grundbesitzung in Essen-Bochold unter der ursprünglichen postalischen C-C-Straße erworben. Der Grundbesitz war im Grundbuch des AG Essen-Borbeck von C1 Bl. 1544 eingetragen. Später erhielten die beiden Hälften der Immobilie die postalische Bezeichnung C1 Straße Nr. 154a und Nr. 154b. Noch zu Lebzeiten des Ehemannes P2 P bezog die ältere Tochter B mit ihrer Familie die Doppelhaushälfte Nr. 154b, während die Eheleute P und die Klägerin in der Doppelhaushälfte Nr. 154a getrennte Wohnungen nutzten. Durch notariellen Vertrag vom 23.11.1989 übertrugen die Eheleute P auf ihre ältere Tochter B (die Mutter des Beklagten) - jeweils einen hälftigen Anteil ihrer Miteigentumsanteile - zusammen ½-Anteil des Eigentums. Entsprechend wurden die Eheleute P am 30.1.1990 zu je 1/4-Anteil und ihre Tochter L2 zu 1/2-Miteigentumsanteil im Grundbuch von C1 Bl. 1544 als Eigentümer eingetragen.

Der Ehemann P2 P erkrankte im Jahr 1990 an einem Bronchialkarzinom, weshalb die Eheleute mit seinem alsbaldigen Ableben rechneten. Sie errichteten mit Datum vom 30.8.1990 ein privatschriftliches Testament, welches die Ehefrau niederschrieb und von beiden Eheleuten unterzeichnet wurde; ferner unterzeichnete eine Freundin der Eheleute als Zeugin. In dem Testament vom 30.8.1990, wegen dessen Inhalt auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 8 d.A.) Bezug genommen wird, heißt es vor der abschließenden Angabe der Personalien:

"Unser Gemeinsamer letzter Wille

Wir setzen uns gegenseitig zu Erben ein. Nach dem Tod des Überlebenden soll unser halbes Haus im Wert von achtzigtausend Mark an unsere Tochter S1 S2, geb. P gehen."

Der Ehemann P2 P verstarb am 19.9.1990. Die gemeinsame Verfügung der Eheleute von Todes wegen wurde durch das AG Essen-Borbeck unter der Geschäftsnummer 8 IV 249/90 eröffnet. Die Witwe P erhielt auf Antrag unter Bezugnahme auf dieses Testament durch das AG Essen-Borbeck zum Aktenzeichen 8 VI 699/91 am 2.5.1991 einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ihres am 19.9.1990 verstorbenen Ehemannes P2 P auswies. Sie wurde am 31.5.1991 als ideelle Miteigentümerin zu ½ neben ihrer Tochter L2 im Grundbuch von Bochold Bl. 1544 eingetragen.

Im Jahr 1993 erfolgte eine katastermäßige Teilung des im Grundbuch verzeichneten Grundstücks in 2 Flurstücke mit den Bezeichnungen C1 Straße Nr. 154a und 154b.

Die Witwe P und ihre ältere Tochter L2 ließen am 4.11.1993 eine notarielle Vereinbarung beurkunden, wonach sie sich über die im Grundbuch verzeichneten Grundstücke dahingehend auseinander setzten, dass die Mutter das Grundstück zur seinerzeit laufenden Grundbuchnummer 5 (C1 Str. 154a) und die Tochter Angelika die Grundstücke zur laufenden Grundbuchnummer 3 und 4 (C1 Str. 154b) jeweils zu Alleineigentum übernehmen sollten. Die Erblasserin räumte den jeweiligen Eigentümern der Parzellen eine Grunddienstbarkeit zur Mitbenutzung bestimmter Räumlichkeiten ein, ferner der Tochter B ein lebenslängliches Wohnrecht unter Ausschluss des Eigentümers an einem bestimmten Obergeschossraum. Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Auseinandersetzungsvertrages wird auf Bl. 105 ff. der beigezogenen Grundakten Bezug genommen.

Noch vor dem grundbuchlichen Vollzug der Auseinandersetzungsvereinbarung schloss die spätere Erblasserin P mit dem Beklagten - ihrem Enkel - unter dem 10.12.1993 einen notariellen Übertragungsvertrag, wegen d...

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