Leitsatz (amtlich)

Dem geschädigten Radfahrer obliegen Darlegung und Beweis, dass sein Sturz auf einer 3 m breiten Straße durch ein sich im Gegenverkehr näherndes Kraftfahrzeugs mitbeeinflusst worden ist, und daher nicht ein zufälliges Ereignis ist.

 

Normenkette

StVG § 7 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 18.12.2015; Aktenzeichen 15 O 90/15)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerinnen gegen das am 18.12.2015 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1) zu 70 % und die Klägerin zu 2) zu 30 %.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin zu 1) wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

 

Gründe

I. Die Klägerinnen nehmen die Beklagten aus einem Verkehrsunfallereignis vom 09.05.2013 in Anspruch, bei dem ihre Versicherungsnehmerin, Frau C, zu Schaden kam.

Die Klägerinnen sind die gesetzliche Kranken- bzw. Pflegekasse von Frau C und haben aufgrund der Folgen des Unfalls Kranken- und Pflegeleistungen an ihr Kassenmitglied, die verunglückte Frau C, erbracht.

Die zum Unfallzeitpunkt 75-jährige Geschädigte befuhr mit ihrem Fahrrad den T-Weg in H in Fahrtrichtung G. Aus entgegengesetzter Richtung näherte sich die Beklagte zu 2) in Begleitung ihrer Schwester, der Beklagten zu 1), und Halterin des Pkw Mercedes-Benz steuerte, welcher wiederum bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist.

Dieses Fahrzeug weist eine Breite von 1,70 m auf. Die Straße ist an der Unfallstelle nach den Feststellungen der Polizei, die insoweit unstreitig sind, 3 m breit. Zu beiden Seiten schließt sich ein teils mit Schotter, teils mit Rasen bedeckter unbefestigter Seitenstreifen an. Auf der aus Fahrtrichtung der Beklagten zu 2) gesehen rechts liegenden Fahrbahnseite befindet sich ein Bewässerungsgraben, welcher ca. 0,80 m vom asphaltierten Bereich entfernt verläuft.

Als sich die Geschädigte auf ihrem Fahrrad und der ihr entgegenkommende Pkw noch in einigem Abstand voneinander befanden, geriet die Geschädigte mit ihrem Fahrrad ins Straucheln und stürzte mit dem Kopf auf die asphaltierte Fahrbahn. Eine Berührung zwischen Pkw und Fahrrad fand nicht statt. Die Beklagte zu 2) vollführte mit ihrem Fahrzeug eine Ausweichbewegung nach rechts auf das Bankett, von wo aus das Fahrzeug in den Bewässerungsgraben rutschte und in einer Entfernung von 15 m von der Sturzstelle zum Stehen kam.

Die Geschädigte erlitt durch den Sturz schwere Kopfverletzungen, u.a. eine Subarachnoidalblutung mit kleinen Coup-Contre-Blutungen, wodurch sie ins Koma fiel. Unmittelbar nach dem Unfall wurde sie in das Krankenhaus N im niederländischen U verbracht, wo sie bis zum 12.05.2013 medizinisch überwacht wurde. Im Anschluss erfolgte für den Zeitraum vom 13.05.2013 bis zum 17.05.2013 eine Verlegung innerhalb des Krankenhauses auf die neurochirurgische Station zur Weiterbehandlung. Es folgten weitere stationäre Behandlungen in zwei Hospitälern in H. Nach ihrer Entlassung aus dem Klinikum lebte die Geschädigte zunächst in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung, im Anschluss daran im Pflegeheim E in H, wo sie am 21.09.2014 verstarb.

Die Klägerin zu 1) wendete als Krankenkasse Behandlungskosten für die stationäre und weitere ärztliche Behandlungen der Geschädigten in Höhe von insgesamt 40.281,56 EUR auf. Der Klägerin zu 2) entstanden für Pflegeleistungen Kosten in Höhe von 21.240,38 EUR.

Bis zum 09.06.2015 zahlte die Beklagte zu 3) jeweils ¼ der ursprünglich geltend gemachten Behandlungs- und Pflegekosten an die Klägerinnen. Des Weiteren wurden 1/4 der vorgerichtlichen Anwaltskosten zu einem Streitwert von 13.000,00 EUR gezahlt.

Die Klägerinnen haben behauptet, die Beklagte zu 2) sei mit unangemessener Geschwindigkeit gefahren und habe die Fahrbahn dabei so mittig befahren, dass die Geschädigte sich genötigt gefühlt habe, auf den unbefestigten Seitenstreifen auszuweichen, wo sie dann in Straucheln geraten und zum Sturz gekommen sei. Auf der Fahrbahn habe reger Fahrrad- und Personenverkehr durch Feiertagsausflügler geherrscht. Die Beklagte zu 2) habe mit ihrem Fahrzeug den Sicherheitsabstand nicht eingehalten, so dass die Geschädigte habe befürchten müssen, der Verkehrsraum werde für sie ohne ein Ausweichmanöver ihrerseits zu eng. Die Tatsache, dass die Beklagte zu 2) ihr Fahrzeug in den Straßengraben habe lenken müssen, um die auf dem Asphalt liegende Geschädigte nicht zu überfahren, zeige, dass sie mit unangemessener Geschwindigkeit gefahren sei, da ihr Fahrzeug ansonsten zuvor ohne Weiteres durch ein Bremsmanöver hätte zum Stehen gebracht werden können. Sie vertreten die Ansicht, dass sich der Unfall aus diesem Grunde trotz fehlender Berührung bei Betrieb des Pkw ereignet habe.

Die Klägerinnen haben beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtsch...

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