Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtververteidiger. Entpflichtung. neuer Pflichtverteidiger. Gründe. Kosteninteresse

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Entpflichtung des bisherigen Verteidigers und die Beiordnung des Wahlanwaltes können auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgen, wenn durch die Rücknahme der Bestellung und die neue Beiordnung keine zusätzlichen Kosten entstehen und keine Behinderung im Fortgang des Verfahrens eintritt. Die Zustimmung des bisherigen Pflichtverteidigers ist in diesem Fall aber unabdingbar.

 

Normenkette

StPO §§ 143, 140

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Entscheidung vom 11.02.2009)

 

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschuldigten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt derzeit gegen den Beschuldigten und weitere - teilweise heranwachsende - Mitbeschuldigte wegen des Verdachts des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und anderer Delikte aus dem Betäubungsmittelbereich. Auf ihren Antrag erließ das Amtsgericht Bochum am 20. Januar 2009 (26 Gs 8/09) gegen den Beschuldigten einen Haftbefehl, auf den wegen der Einzelheiten der Tatvorwürfe Bezug genommen wird. Der Haftbefehl wurde dem Beschuldigten durch das Amtsgericht Bochum am 24. Januar 2009, einem Samstag, verkündet. Ausweislich des Verkündungsprotokolls wies der Beschuldigte zu Beginn darauf hin, dass er bisher nicht anwaltlich vertreten sei und äußerte die Bitte, das Gericht möge ihm einen Verteidiger bestellen, ohne jedoch einen Rechtsanwalt namentlich zu benennen. Auf den Antrag der anwesenden Vertreterin der Staatsanwaltschaft auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers bereits im Ermittlungsverfahren ordnete ihm der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Bochum im Termin am 24. Januar 2009 daraufhin Rechtsanwältin M aus Essen als Pflichtverteidigerin bei. Diese zeigte bereits mit Schriftsatz vom 26. Januar 2009 die Vertretung des Beschuldigten unter Vorlage einer von diesem eigenhändig unterschriebenen Vollmacht mit demselben Datum an, nachdem sie ihn in der Justizvollzugsanstalt Essen persönlich aufgesucht hatte. Darüber hinaus beantragte sie, ihr Akteneinsicht zu gewähren, und verneinte mit näheren Ausführungen die Fluchtgefahr.

Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2009 zeigte sodann Rechtsanwalt Rogner die Verteidigung des Beschuldigten an, beantragte Akteneinsicht und legte eine von diesem eigenhändig unterzeichnete Vollmacht vor, die ebenfalls vom 27. Januar 2009 datierte. Zur Begründung wurde vorgetragen, der Beschuldigte sei der deutschen Sprache nicht mächtig, so dass eine selbstständige Verteidigung nicht möglich sei. Mit ihm - Rechtsanwalt Rogner - könne der Beschuldigte in seiner Muttersprache kommunizieren. Nachdem ihm die Beiordnung der Rechtsanwältin M bekannt gemacht worden war, beantragte Rechtsanwalt Rogner unter dem 28. Januar 2009 deren Entpflichtung und seine eigene Beiordnung zum Pflichtverteidiger. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und der bestellten Verteidigerin sei nachhaltig gestört, so dass eine ordnungsgemäße Verteidigung nicht gewährleistet werden könne. Denn dem Beschuldigten sei keine Möglichkeit eingeräumt worden, einen Verteidiger seiner Wahl zu benennen, zu dem er ausreichend Vertrauen habe. Ferner habe der Beschuldigte durch die Unterzeichnung der Vollmacht den Wunsch geäußert, von Rechtsanwalt Rogner verteidigt zu werden, dem wichtige Gründe nicht entgegenstünden. Rechtsanwältin M sei ihm gegen seinen ausdrücklichen Wunsch beigeordnet worden. Er sei von der willkürlich beigeordneten Pflichtverteidigerin überrumpelt worden. Ferner könne die Familie des Beschuldigten mit einem deutschsprachigen Rechtsanwalt nicht kommunizieren, so dass eine ausreichende Betreuung der Familie und Hilfestellung seitens der Familie an den Beschuldigten nicht gewährleistet seien. Auch seien Dolmetscherkosten vermeidbar. Diese Umstände sprächen für ein besonderes Vertrauensverhältnis des Beschuldigten zu Rechtsanwalt Rogner, woraus ein Anspruch aus Art. 6 Abs. 2 MRK auf Beiordnung des Rechtsanwalts Rogner abzuleiten sei.

Unter dem 06. Februar 2009 beantragte Rechtsanwalt Rogner die Durchführung eines mündlichen Haftprüfungstermins. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschuldigte sei im Alter von 11 Jahren nach Deutschland gekommen und besitze die deutsche Staatsangehörigkeit. Er habe in Deutschland die Schule besucht und keine Kontakte in sein Heimatland, vielmehr sei er in Deutschland voll integriert. Weder er noch seine Familie seien seit 1997 in Kasachstan gewesen. Kontakte zu dortigen Verwandten würden nicht gepflegt.

Unter dem 04. Februar 2009 reichte Rechtsanwalt Rogner ferner eine eigenhändig vom Beschuldigten verfasste Erklärung des Inhalts ein, er wolle mit Rechtsanwalt Rogner als Verteidiger zusammen arbeiten und nicht mit Rechtsanwältin M. Ferner bat der Beschuldigte um gerichtliche Bestellung von Rechtsanwalt Rogner.

Aus einem Vermerk der zuständigen Staatsanwältin vom 02. Februar 2009 geht demg...

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