Entscheidungsstichwort (Thema)

körperliche Berührung. sexuell bestimmte Weise. sexuelle Belästigung. Erheblichkeit. Knie

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch ambivalente körperliche Berührungen, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, können tatbestandsmäßig sein. Dabei ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt; hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob der Täter von sexuellen Absichten geleitet war.

2. Zur Abgrenzung von als vom Gesetzgeber nicht als strafwürdig angesehenen bloßen Ungehörigkeiten und Distanzlosigkeiten bedarf es aber im Falle des Vorliegens einer ambivalenten körperlichen Berührung (im vorliegenden Fall des Knies) eingehender Feststellungen, etwa zur Art der Bekleidung, insbesondere welche körperliche Nähe bzw. welchen Intimitätsgrad sie zulässt, und zum Kontext der Berührung.

 

Normenkette

StGB § 184i Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Detmold (Entscheidung vom 06.07.2018; Aktenzeichen 22 Ns 149/17)

AG Detmold (Entscheidung vom 10.11.2017)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird - jeweils mit den zu Grunde liegenden Feststellungen -

    1. im Schuld- und Einzelstrafausspruch, soweit der Angeklagte wegen sexueller Belästigung in Tateinheit mit Beleidigung verurteilt worden ist,

sowie

    1. im Gesamtstrafenausspruch

aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

 

Gründe

I.

Auf die Berufungen des Angeklagten gegen die Urteile des Amtsgerichts Detmold vom 10.11.2017 und 06.07.2018 hat das Landgericht Detmold die Ausgangsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und den Angeklagten - unter Verwerfung der Berufung im Übrigen - wegen Bedrohung und wegen sexueller Belästigung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten kostenpflichtig verurteilt (Einzelstrafen: Bedrohung: vier Monate Freiheitsstrafe; sexuelle Belästigung in Tateinheit mit Beleidigung: sechs Monate Freiheitsstrafe). Hinsichtlich der Verurteilung wegen Bedrohung hatte der Angeklagte seine Berufung bereits vor der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der aus T stammende Angeklagte im Jahre 2015 illegal nach Deutschland eingereist, lebt von Sozialleistungen und spricht häufig - aus Langeweile - dem Alkohol zu, ohne dass eine Alkoholabhängigkeit besteht. Wegen zahlreicher Straftaten (darunter auch Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzungen) wurde er im Jahre 2017 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten und zu einer weiteren Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung beider Freiheitsstrafen wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Zum Tatgeschehen bzgl. der Verurteilung wegen sexueller Belästigung in Tateinheit mit Beleidigung hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Am 14.01.2018, einem Samstagabend, hatte der Angeklagte mit "Kumpels" in C in erheblichem Umfang Alkohol getrunken. Er war angetrunken, aber nicht vollständig betrunken. Die Alkoholisierung des Angeklagten war an seinem schwankenden Gang deutlich erkennbar und der Geruch von Alkohol war wahrnehmbar. Der Angeklagte beschloss, den letzten Zug nach M zu nehmen und stieg gegen Mitternacht am Hauptbahnhof in C in den Zug. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte eine blutende Nase und blutige Hände. Woher dieses Blut herrührte, konnte in der Hauptverhandlung nicht aufgeklärt werden. Direkt vor ihm bestieg die Zeugin H den Zug. Der Angeklagte fand die junge Frau attraktiv und fasste sie an beiden Seiten an den Hüften. Der Zeugin H missfiel der Annäherungsversuch des Angeklagten. Sie drehte sich zu ihm um und schaute den Angeklagten böse an. Berühren mochte sie ihn ob seiner blutverschmierten Hände nicht. Der Angeklagte ließ daraufhin von der Zeugin zunächst ab und legte sich auf mehrere Klappsessel. Das Abteil war zu dieser Zeit nur wenig bevölkert. Neben der Zeugin H saßen sich in einer gegenüberliegenden Sitzgruppe für jeweils vier Personen die Schwestern B und G I gegenüber, die von C nach Hause fahren wollten. Etwas weiter entfernt saß der Zeuge N L und eine weiteren männliche Person. Nach einiger Zeit stand der Angeklagte von den Klappsesseln auf und ging zu den Schwestern I in die Vierersitzgruppe. Die Schwestern, die sich zunächst gegenüber gesessen hatten, setzten sich nebeneinander. Der Angeklagte setzte sich ihnen direkt gegenüber und versuchte zunächst in einem Sprachgemisch aus Englisch und Deutsch mit den beiden jungen Frauen ein Gespräch anzufangen, indem er sie zu verschiedenen Dingen ausfragte. Die Zeuginnen I empfanden den Angeklagten als aufdringlich. Sie wollten sich nicht mit ihm unterhalten und baten ihn freundlich, doch einen anderen Platz zu wählen, weil sie gerne ihre Privatsphäre hätten. Dies interessi...

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