Tenor

Der Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Bochum vom 06.06.2019 und der Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwältin in Hamm vom 11.12.2019 werden aufgehoben.

Die Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Beschuldigten wegen Totschlags (§ 212 StGB) wird angeordnet (§ 175 StPO).

Die Durchführung dieses Beschlusses nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe obliegt der Staatsanwaltschaft Bochum.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wirft dem Beschuldigten vor, als Polizist im Dienst den zum Vorfallszeitpunkt 74jährigen Vater des Antragstellers, Herrn A, am 16.12.2018 gegen 20:00 Uhr auf dem Gehweg im Bereich des Hauses B-Straße ##0 in C durch für den Beschuldigten erkennbar nicht gerechtfertigten Schusswaffengebrauch vorsätzlich getötet zu haben.

Zur Tatzeit habe der Beschuldigte als Dienstgruppenleiter an einem Polizeieisatz wegen "Ruhestörung/Randalierer" in C teilgenommen. Neben ihm seien die Polizisten POK D und KA'in E eingesetzt gewesen. Auf dem Gehweg der B-Straße vor dem Haus mit der Nummer ##0 seien sie auf das spätere Tatopfer (nachfolgend Verstorbener) getroffen, dessen vorheriges Verhalten den Melder, Herrn F, dazu veranlasst gehabt habe, die Polizei zu rufen. Beim Eintreffen der Polizisten habe sich das Tatopfer ruhig verhalten. POK D und KA'in E hätten sich in das Haus Nummer ##2 begeben, um Kontakt mit dem Melder aufzunehmen. Der Beschuldigte und der Verstorbene seien auf dem Gehweg geblieben.

Der Beschuldigte habe diesen zunächst angesprochen, sei aber kurz darauf durch einen Anruf des Wachdienstleiters POK G anderweitig beschäftigt worden. Während dieses Telefonats habe sich der seit langem psychisch kranke Verstorbene von dem Beschuldigten abgewendet und sich langsam in Bewegung gesetzt, um sich zu entfernen. Daraufhin habe der Beschuldigte versucht, das Tatopfer mit Worten und durch einen Griff an dessen Schulter dazu anzuhalten, vor Ort zu bleiben. Das Telefon habe der Beschuldigte zu diesem Zweck in eine Jackentasche gesteckt, ohne das Telefonat zu beenden.

Im weiteren Verlauf habe der Beschuldigte in der irrigen Annahme, der Verstorbene wolle ein Messer ziehen, mit seiner Dienstpistole in kurzer Folge und ohne Vorwarnung drei Schüsse auf das Tatopfer abgegeben, das an den Folgen der hierdurch erlittenen Verletzungen noch vor Ort verstorben sei. Der Beschuldigte habe dabei mit Tötungsvorsatz gehandelt. Die Tötungshandlung sei nicht durch Notwehr gerechtfertigt und auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Erlaubnistatbestandsirrtums entschuldigt, weil der Beschuldigte die Grenzen der - vermeintlich erforderlichen - Verteidigung überschritten habe. Zum Zeitpunkt des dritten, tödlichen Schusses sei das Tatopfer, das bereits durch einen der vorausgegangenen Schüsse getroffen und erheblich verletzt worden sei, zudem schon erkennbar in sich zusammengesackt, so dass zu diesem Zeitpunkt ein vermeintlicher Angriff auch nicht mehr gegenwärtig gewesen sei.

Die Staatsanwaltschaft Bochum hat das gegen den Beschuldigten wegen Totschlags geführte Ermittlungsverfahren mit Bescheid vom 06.06.2019 mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Es habe eine sogenannte Putativnotwehrlage vorgelegen, da der Verstorbene nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu dem Zeitpunkt, als er auf den Beschuldigten zugegangen sei, ein einem echten Revolver täuschend ähnlich aussehendes Feuerzeug auf diesen gerichtet habe. Von einer Strafbarkeit des Beschuldigten wegen fahrlässiger Tötung sei ebenfalls nicht auszugehen, da der Irrtum des Beschuldigten, mit einem echten Revolver bedroht zu werden, für den Beschuldigten unvermeidbar gewesen sei. Hätte er sich Gewissheit darüber verschafft, ob es sich bei der Waffe um eine echte Schusswaffe handelte, hätte er sich selbst der Gefahr ausgesetzt, von dem Tatopfer erschossen zu werden. Der Einstellungsbescheid ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 21.06.2019 zugegangen. Dieser hat mit Schriftsatz vom 05.07.2019, per Fax eingegangen bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamm am selben Tag, Beschwerde gegen die Einstellung erhoben.

Mit Bescheid vom 11.12.2019 hat die Generalstaatsanwältin in Hamm die Beschwerde des Antragstellers unter Bezugnahme auf die Gründe des Einstellungsbescheides zurückgewiesen. Dieser Bescheid ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 07.01.2020 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 04.02.2020, eingegangen beim Oberlandesgericht Hamm am Folgetag, hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers für diesen nach § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO die gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel, die Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Beschuldigten wegen Totschlags, hilfsweise wegen fahrlässiger Tötung, anzuordnen, beantragt.

Die Generalstaatsanwältin in Hamm hat mit Zuschrift vom 25.03.2020 mit näheren Ausführungen beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zu verwerfen. Der Beschuldigte bzw. dessen Verteidiger und der Antragsteller bzw. dessen Verfahrensbevollmächtigter wurden hierzu angehört. Dem ...

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