Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 15.01.1986; Aktenzeichen 9 S 322/85)

AG Wipperfürth (Aktenzeichen 10 C 194/85)

 

Tenor

Wenn ein betagter Vermieter die Wohnung eines Mieters für eine in sein Haus aufzunehmende Person beansprucht und aufgrund äußerer Umstände mit einiger Sicherheit damit gerechnet werden kann, daß er deren Dienste in naher Zukunft für seine Lebensführung (Pflege und Wartung) benötigt, so ist ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses zumindest bei Geltung einer Kündigungsfrist von 1 Jahr auch dann anzuerkennen, wenn die Person, deren Dienste in Anspruch genommen werden sollen, im Zeitpunkt der Vornahme der Kündigung noch nicht feststeht.

 

Gründe

I.

Das Landgericht Köln hat durch Beschluß vom 15. Januar 1986 dem Senat folgende Rechtsfrage zur Entscheidung im Wege des Rechtsentscheides vorgelegt:

Kann eine betagte Person (im gegebenen Fall 79 Jahre alt), die zwar noch keinen Pflegefall darstellt, deren Hilfsbedürftigkeit in Anbetracht des fortgeschrittenen Alters aber aller Wahrscheinlichkeit nach in naher Zukunft bevorsteht, Eigenbedarf nach § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB zum Zwecke der Aufnahme einer Hilfsperson auch dann geltend machen, wenn im Falle einer Kündigungsfrist von 1 Jahr (§ 565 Abs. 2 BGB) zum Zeitpunkt der Kündigung noch keine konkrete Aussicht besteht, daß eine bestimmte Person in die zu räumende Wohnung aufgenommen werden soll?

Dieser Vorlagefrage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die am … geborene Klägerin ist Eigentümerin des in … gelegenen Wohnhauses. Sie selbst bewohnt die im Erdgeschoß gelegene, aus 3 Zimmern sowie Küche, Bad und Duschraum bestehende Wohnung, zu der ein Balkon gehört. An einem der 3 Räume (22,5 qm groß) steht einer Schwester der Klägerin ein lebenslanges Nutzungsrecht zu. Diese hält sich nur während einiger Zeiträume im Jahr darin auf. Während der Abwesenheit dieser Schwester nutzt die Klägerin in deren Einverständnis diesen Raum selbst.

Die Wohnung im Souterrain nutzt der am … geborene Bruder der Klägerin, der bereits zwei Herzinfarkte erlitten hat und darüber hinaus außerordentlich stark sehbehindert ist. Er mußte sich im Jahre 1984 einer Augenoperation unterziehen. Es ist damit zu rechnen, daß er sich weiteren Operationen unterziehen muß.

Im Jahre 1970 hat die Klägerin die im Obergeschoß gelegene Wohnung an die Beklagten vermietet. Der am … geborene beklagte Ehemann ist in gesundheitlich sehr schlechter Verfassung. Seine Sehfähigkeit ist auf 1/10 auf dem rechten und auf 1/30 auf dem linken Auge vermindert. Er tragt einen Herzschrittmacher und leidet auch noch an weiteren, im wesentlichen altersbedingten körperlichen Gebrechen. Die beklagte Ehefrau ist 83 Jahre alt.

Mit Schreiben vom 16. Februar 1984 hat die Klägerin durch ihre Prozeßbevollmächtigten den Mietvertrag gegenüber den Beklagten zum 28. Februar 1985 gekündigt. Zur Begründung wird u.a. folgendes ausgeführt:

„Wie Sie wissen, sind meine Mandantin und deren Bruder, der ebenfalls im Hause wohnt, im fortgeschrittenen Alter. Meine Mandantin wird in diesem Jahre 78 Jahre alt und der Bruder 76 Jahre alt, der zudem gesundheitlich nicht auf der Höhe ist, weil er vor ca. 2 Jahren einen Herzinfarkt erlitten hat. Meine Mandantin und ihr Bruder sind ohne fremde Hilfe auf die Dauer nicht in der Lage, den jeweils von ihnen geführten selbständigen Haushalt aufrechtzuerhalten. Sie müssen sich daher um jemand bemühen, der sie in der Zukunft versorgt und pflegt. Eine solche Pflege im eigenen Haus können sie nur erwarten, wenn sie der Familie, die eine entsprechende Verpflichtung übernehmen soll, auch eine Wohnung in dem Haus zur Verfügung stellen.

Sie benötigen daher die von Ihnen bewohnte Wohnung für die vertraglich mit Versorgung und Pflege zu beauftragenden Personen. Ihr bleibt bei dieser Situation keine andere Möglichkeit, als die Räumung der von Ihnen bewohnten Wohnung zu verlangen.”

Die Klägerin ist bis zum heutigen Tage nicht pflegebedürftig. Ebensowenig wie im Kündigungsschreiben vom 16. Februar 1984 hat sie bis heute eine bestimmte Person benannt, welche die erforderlichen Dienste übernehmen und in die Wohnung der Beklagten einziehen soll. Sie hat im Schriftsatz vom 13. Februar 1986 ausgeführt, bei einer entsprechenden Auflage durch da … die Klägerin in der Lage, in kürzester Zeit Interessenten zu benennen, die bereit seien, einen entsprechenden Vertrag mit Pflegevereinbarung abzuschließen.

Die Beklagten haben der Kündigung mit Schreiben des Mietervereins … e.V. vom 8. Oktober 1984 widersprochen. Mit der daraufhin am 30. März 1986 erhobenen Klage macht die Klägerin gegenüber den Beklagten Räumung und Herausgabe der Mietwohnung ge …

Das Amtsgericht Wipperfürth hat die Klage durch Urteil vom 18. Juli 1985 – 10 C 194/85 – abgewiesen. Es hat die Wirksamkeit der Kündigung gemäß § 564 b Abs. 1 und 2 BGB unter Anwendung des Rechtsentscheides des BayObLG vom 2. März 1982 – Allg. Reg. 115/81 (NJW 1982, 1159 = RES Band II, § 564 b BGB Nr. 15) für den vorliegenden Fall bejaht, jedoch das Mietverhältnis...

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