Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslieferungshindernis wegen unerträglich harter Strafe. Haftbedingungen in Nordmazedonien

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren gegen ein zur Tatzeit 18 Jahre und 2 Monate alten und nicht vorbestraften Verfolgten, dem nach den Urteilsfeststellungen lediglich ein einfacher in Mittäterschaft begangener Ladendiebstahl vorzuwerfen und die der Beutesicherung dienende, der Wegnahmehandlung nachfolgende Gewaltanwendung seitens eines Mittäters nach inländischen Maßstäben nicht zuzurechnen ist, verstößt gegen das Übermaßverbot und begründet daher ein Auslieferungshindernis.

2. Die von den Behörden Nordmazedoniens abgegebene Zusicherung einer EMRK-konformen Unterbringung der verfolgten Person ist angesichts der im jüngsten cpt-Bericht festgestellten systemischen Mängel, die in den Haftanstalten Nordmazedoniens festgestellt worden sind, durch Einholung konkreter Auskünfte auf ihre Belastbarkeit hin einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

 

Normenkette

IRG § 73; EMRK Art. 3, 6

 

Tenor

  1. Gegen den Verfolgten wird wegen der ihm in dem Auslieferungsersuchen der mazedonischen Behörden vom 21.10.2021 (Nr. 22-2736/2021) in Verbindung mit dem Urteil des Grundstrafgerichts Skopje vom 05.11.2020 (Az.: XXIII K. Nr. 2033/20) zur Last gelegten Tat die förmliche Auslieferungshaft angeordnet.
  2. Der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Hamm, gegen den Verfolgten auch wegen der ihm in dem Auslieferungsersuchen der mazedonischen Behörden vom 21.10.2021 (Nr. 22-2736/2021) in Verbindung mit dem Urteil des Amtsgerichts Tetovo vom 18.07.2019 (K. Nr. 340/19), im Strafmaß abgeändert durch Urteil des Berufungsgerichts Gostivar vom 28.01.2020 (KZh. Nr. 342/19), zur Last gelegten Tat die förmliche Auslieferungshaft anzuordnen, wird zurückgewiesen.
  3. Der vorläufige Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 21.10.2021 wird aufgehoben.
  4. Anordnung des mitunterzeichnenden Vorsitzenden:Der Verfolgte ist in der Sache III-2 Ausl 178/21 (vorläufige Auslieferungshaft wegen der Tat vom 15.02.2019 - Freiheitsstrafe 5 Jahre) unverzüglich aus der Auslieferungshaft zu entlassen.
 

Gründe

I.

Die mazedonischen Behörden ersuchen um die Auslieferung des Verfolgten zur Strafvollstreckung wegen Raubes u.a. und haben ihn auf der Grundlage des Haftbefehls des Primary Court in Skopje vom 12.01.2021 (II KUIKP.BR.1004/20) zunächst am 01.02.2021 über Interpol zur Fahndung ausgeschrieben (WantedNCB message reference: 22.13/33/21/PAE/BP of 01-02-2021).

Aus dem mittlerweile auf dem dafür vorgesehenen Geschäftsweg eingegangenen Auslieferungsersuchen der mazedonischen Behörden vom 21.10.2021 ergibt sich, dass das Auslieferungsverfahren zum Zwecke der Strafvollstreckung aus zwei gegen den Verfolgten ergangenen Verurteilungen betrieben wird.

1. Zum einen ist das Auslieferungsersuchen gestützt auf das Urteil des Amtsgerichts Tetovo vom 18.07.2019 (K. Nr. 340/19), im Strafmaß abgeändert (hier: reduziert von sechs Jahren Freiheitsstrafe auf fünf Jahre) durch Urteil des Berufungsgerichts Gostivar vom 28.01.2020 (KZh. Nr. 342/19), durch welches der Verfolgte wegen räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden ist.Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:Am 00.02.2019 entwendete der Verfolgte in der Stadt Tetovo aus dem Geschäft "X" in dem Einkaufszentrum "Z" gemeinsam mit den beiden Mittätern A und B mehrere Kleidungsstücke, nämlich 20 Sweater, 1 Paar Jeans, 1 Jacke, 3 Sweatshirts und 2 Paar "tracksuits" im Gesamtwert von 38.640 Denaren (etwa 628, 00 EUR), indem sie Gewalt, die zu verletzen geeignet war, gegen Mitarbeiter anwendeten. Sie wurden bei der Tatausführung von dem Mitarbeiter und Zeugen C beobachtet, der die Täter anschrie. Daraufhin flohen die Täter. Dabei schlug B einen Sicherheitsmitarbeiter mit seinem Ellbogen gegen die Brust, so dass alle drei Täter fliehen konnten.Dieses Verhalten soll nach den Ausführungen der genannten Urteile als "Raub mit Waffen" gemäß Art. 238 Abs. 4 in Verbindung mit Absatz 1 des Strafgesetzbuches der Republik Nord-Mazedonien strafbar sein.Der Verfolgte war in den Hauptverhandlungen in beiden Instanzen persönlich anwesend und anwaltlich vertreten.Auf diese Verurteilung stützt sich der "internationale Haftbefehl" des Grundstrafgerichts in Skopje vom 12.01.2021 - Aktenzeichen: II KUIKP Nr.1004/. Dem diesem Haftbefehl zugrundeliegenden Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Skopje I vom 23.12.2020 lässt sich entnehmen, dass der Verfolgte diese Haftstrafe in der R "(..)" (wohl: S) in U verbüßen soll.Vollstreckungsverjährung wird insoweit nicht vor dem 28.01.2030 eintreten.Ergänzend ergibt sich aus den Auslieferungsunterlagen, dass auf die erkannte Freiheitsstrafe "die Zeit in Untersuchungshaft und Hausarrest" vom 02.03.2019 bis zum 28.01.2020, sowie "die Zeit, die die Angeklagten vom 28.01.2020 bis zum Beginn der Freiheitsstrafe gemäß § 47 StGB unter Hausarrest verbringen" angerechnet werden soll.

2. Zum anderen ist das Auslieferungsersuchen gestützt auf den in...

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