Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustandekommen einer vertraglichen Einigung über die Genehmigung einer baulichen Veränderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Wohnungseigentümer sind trotz der Einseitigkeit der Erklärung der erforderlichen Zustimmung nach § 22 Abs. 1 WEG nicht gehindert, die Erteilung dieser Zustimmung i.V.m. näheren Regelungen zu der baulichen Veränderung zum Gegenstand eines Vertrages zwischen allen Wohnungseigentümern zu machen.

2. Für das Zustandekommen eines solchen Vertrages gilt die Auslegungsvorschrift des § 154 Abs. 1 BGB. Die Erklärung der grundsätzlichen Bereitschaft eines Wohnungseigentümers zur Erteilung seiner Zustimmung löst keine vertragliche Bindungswirkung aus, wenn nach dem Willen der Beteiligten eine nähere Regelung über bauliche Einzelheiten erst noch getroffen werden sollte.

3. Bei Fehlen der vertraglichen Bindungswirkung kann aus der grundsätzlichen Bereitschaft zur Erteilung der Zustimmung kein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleitet werden.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Beschluss vom 25.07.2003; Aktenzeichen 9 T 70/03)

AG Gelsenkirchen (Beschluss vom 05.03.2003; Aktenzeichen 3 II 66/02)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des AG vom 5.3.2003 werden jeweils mit Ausnahme der Wertfestsetzung aufgehoben.

Der Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 1) und 2) tragen als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Verfahrens. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet in allen Instanzen nicht statt.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die Eigentümer der im ersten und zweiten Obergeschoss der vorbezeichneten Anlage gelegenen Wohnungen. Eigentümer der Erdgeschosswohnung sind die Beteiligten zu 3), weiterer Eigentümer der im dritten Obergeschoss gelegenen Wohnung ist Herr H. Die Beteiligten zu 1) und 2) beabsichtigen, für ihre beiden Wohnungen an der Rückseite des Gebäudes nachträglich Balkone anzubauen und dort vorhandene Fenster zu Türöffnungen zu erweitern. Unterhalb des Bereichs, in dem die Balkone angebaut werden sollen, liegt eine sich an die Erdgeschosswohnung anschließende Terrassenfläche, an der ein Sondernutzungsrecht der Beteiligten zu 3) begründet ist. Über die Pläne der Beteiligten zu 1) und 2) wurde in der Eigentümerversammlung vom 30.9.2000, in der alle Eigentümer erschienen waren, verhandelt. Das Protokoll der Eigentümerversammlung lautet dazu wie folgt:

„Da einige Eigentümer den Wunsch haben, auf der Rückseite des Hauses Balkone anzubringen, wurde darüber länger diskutiert. Folgende einstimmig gefällte Vereinbarungen wurden getroffen:

Die Eigentümergemeinschaft hat keine grundsätzlichen Bedenken ggü. der durch Balkone entstehenden baulichen Veränderungen an dem Gesamtgebäude.

Bei ggf. mit der baulichen Veränderung zu erwartenden Nutzungseinschränkungen für die Eigentümer … ist mit diesen vorab über einen finanziellen Ausgleich zu verhandeln. Die baulichen Bedingungen der Balkone sind im Detail mit allen Eigentümern gemeinschaftlich zu verhandeln.

Es sollten möglichst alle Eigentümer gleichzeitig ihre Balkone anbauen. Wenn dies nicht der Fall ist, haben sich diejenigen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt einen Balkon anbauen wollen, dabei an der Gestaltung der bereits gebauten Balkone zu orientieren.”

In der Folgezeit holten die Beteiligten zu 1) Angebote von Fachunternehmen ein. Das von ihnen zuletzt ausgewählte Angebot der Firma O. vom 26.2.2002 sieht eine Tragkonstruktion aus Stahl vor, die ohne Abstützung auf der Grundstücksfläche lediglich in der Außenwand des Gebäudes verankert wird. Über dieses Angebot wurde in der Eigentümerversammlung vom 26.3.2002 zu Tagesordnungspunkt 5 aufgrund folgenden Beschlussantrags der Beteiligten zu 2) verhandelt:

„Gemäß Protokoll der Eigentümerversammlung am 30.9.2000 sind vor dem Anbau von Balkonen an der Rückseite des Gebäudes folgende Punkte zu klären:

1. Frage der Nutzungsbeeinträchtigung für die Eigentümer F.

In diesem Punkt konnte bisher keine Einigung erzielt werden, auf Wunsch von Herrn F. soll die Frage seines finanziellen Ausgleichs außerhalb der Eigentümerversammlung geklärt werden.

2. Die baulichen Bedingungen der Balkone sind im Detail mit allen Eigentümern gemeinschaftlich zu verhandeln:

Wir stellen den Antrag, hierzu folgenden Beschluss zu fassen: ‚Am 2.3.2002 wurde allen Eigentümern eine Kopie des von den Eigentümern der Wohnungen 2 und 3 bevorzugten Angebotes überlassen. Wir bitten um Zustimmung aller Eigentümer zur baulichen Ausführung entspr. dem vorliegenden Angebot der Firma O. vom 26.2.2002. Die Balkone sollen hellgrau beschichtet werden, die Entwässerung soll durch Anschluss an das vorhandene Fallrohr erfolgen. Nach abschließender Klärung des Pktes. 1 kann der Auftrag an die o.a. Firma vergeben werden.

Im Zuge des Balkonanbaus werden die Küchenfenster im ersten und zweiten Obergeschoss durch identische w...

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