Leitsatz (amtlich)

1. Die Berechtigung zur Forderung rückständigen Unterhalts aufgrund eines Auskunftsverlangens nach § 1613 Abs. 1 BGB (sog. Verzugswirkung) tritt unabhängig davon ein, ob im Zeitpunkt des Auskunftsverlangens ein Auskunftsanspruch nach § 1605 BGB bestand oder nicht.

2. Der Einwand der Verwirkung nach § 1579 BGB führt grundsätzlich nicht zur Versagung der Verfahrenskostenhilfe für den Unterhaltsberechtigten, weil die Feststellung der Rechtsfolgen der Verwirkung eine umfassende Billigkeitsabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der Interessen eventuell vorhandener minderjähriger Kinder voraussetzt, die in der Regel nicht schon im summarischen Verfahren vorgenommen werden kann.

 

Normenkette

FamFG § 113; ZPO §§ 114, 242, 1579; BGB §§ 1605, 1613

 

Verfahrensgang

AG Essen (Beschluss vom 14.04.2011; Aktenzeichen 107 F 524/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 18.5.2011 wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen der Beschluss des AG - Familiengericht - Essen vom 14.4.2011, nach Übertragung der Entscheidung auf den Senat, abgeändert.

Der Antragstellerin wird Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C aus I bewilligt, soweit sie beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung rückständigen Trennungsunterhalts für die Zeit vom 1.2.2009 bis zum 26.10.2009 i.H.v. 6.835,20 EUR zu verpflichten.

Die Anordnung von Ratenzahlungen oder einer Einmalzahlung aus dem Vermögen der Antragstellerin bleibt dem AG vorbehalten.

Die Gerichtsgebühr nach Nr. 1912 KV-FamGKG wird nicht erhoben.

 

Gründe

I. Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht (§§ 113 I 1, 2 FamFG, 114 ZPO) zurückgewiesen.

II. Die gem. den §§ 113 I 1, 2 FamFG, 127 II 2, 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg. Im Übrigen ist ihr keine Erfolgsaussicht beschieden.

1) Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner auf der Grundlage ihres Sachvortrages rechnerisch ein Anspruch auf Zahlung von rückständigem Trennungsunterhalt in der von ihr geltend gemachten Höhe (816 EUR monatlich) gem. den §§ 1361 I, III, 1613 I BGB zu.

a) Die Antragstellerin hat den Antragsgegner mit der außergerichtlichen Aufforderung ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 15.12.2008 zur Auskunftserteilung zum Zwecke der Geltendmachung von Ansprüchen auf Trennungsunterhalt für die Zeit nach Ablauf der zuvor von den Beteiligten getroffenen Unterhaltsvereinbarung am 31.12.2008 in Verzug gesetzt und ihren Anspruch mit außergerichtlichem Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 11.3.2009 beziffert. Darauf, ob zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens ein rechtlicher Anspruch der Antragstellerin auf Auskunftserteilung nach den §§ 1361 IV 4, 1605 BGB bestand, vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner Auskunft bereits im März 2008 erteilt hatte (vgl. § 1605 II BGB), kommt es für die in § 1613 I BGB normierten Rechtsfolgen des Verlangens auf Auskunftserteilung nicht an.

Der Anspruch ist jedoch begrenzt auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung am 26.10.2009. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Zahlung von Ehegattenunterhalt steht der Antragstellerin nicht zu, da sie bereits am 27.10.2009 erneut die Ehe mit einem anderen Mann geschlossen hat.

b) Für die Berechnung der Höhe des geschuldeten Trennungsunterhalts ist im summarischen Verfahren von einem bereinigten Erwerbseinkommen des Antragsgegners i.H.v. 1.341,80 EUR und von sonstigen Einkünften (aus Wohnvorteil und Mieteinkünften) i.H.v. 1.200 EUR monatlich auszugehen.

Sein bereinigtes Erwerbseinkommen setzt sich wie folgt zusammen:

Nettoeinkommen

2.059,03 EUR

abzgl. Fahrtkosten

-16,50 EUR

abzgl. Gewerkschaft

-25,73 EUR

abzgl. Prämie LBS

-40 EUR

gezahlter Unterhalt für das 1. Kind

-325 EUR

gezahlter Unterhalt für das 2. Kind

-310 EUR

bereinigtes Erwerbseinkommen:

1.341,80 EUR

Die Höhe seines - der Überprüfung im Hauptsacheverfahren unterliegenden - Nettoeinkommens ist nachvollziehbar dargestellt auf der Grundlage eines Jahresbruttoeinkommens von 42.130 EUR. Soweit der Antragsgegner weitere - zwischen den Beteiligten streitige - Abzüge für Verbindlichkeiten (Grundsteuer, Hausgeld, Instandhaltungsrücklage) geltend macht, kann er auf die ihn insoweit treffende Darlegungs- und Beweislast im Hauptsacheverfahren verwiesen werden.

Ob und in welchem Umfang er sich einen objektiven Wohnvorteil für das Wohnen im Eigenheim zurechnen lassen muss, ist ebenfalls im Hauptsachverfahren zu klären. Insoweit werden die Beteiligten Gelegenheit erhalten, ergänzend zum Baujahr, zum Erhaltungszustand, zur Größe und zur Lage des Grundstücks vorzutragen. Auf der Grundlage des unter Beweis gestellten Sachvortrages der Antragstellerin erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass aus dem von ihm bewohnten Eigenheim ein objektiver Mietwert i.H.v. 800 EUR monatlich zu erzielen ist. Auf den mit außergerichtlichem Schreiben vom 29.4.2008 von der Antragstellerin...

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