Leitsatz (amtlich)

Eine Beschwerde der in erster Instanz unterlegenen Partei gegen die Zurückweisung ihres Prozesskostenhilfeantrages ist jedenfalls dann unzulässig, wenn das Berufungsgericht bereits in der Hauptsache entschieden hat und das Berufungsurteil rechtskräftig ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 127, 567

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 4 O 299/99)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers vom 8.8.2000 gegen den die nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Münster vom 26.10.1999 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I. Der Kläger hat den Beklagten auf Zahlung von 94.193 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Mit der am 27.9.1999 bei Gericht eingegangenen Klageerwiderung hat der Beklagte Prozesskostenhilfe beantragt. Am 15.10.1999 hat er eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen eingereicht. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG den Antrag wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Beglaubigte Abschriften dieser Entscheidung sind den Prozessbevollmächtigten der Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.10.1999 ausgehändigt worden. Daraufhin ist nach Stellung der Anträge zur Sache verhandelt worden. Mit dem am selben Tag verkündeten Urteil hat das LG der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Dagegen hat der Beklagte – zunächst in eingeschränktem Umfang – Berufung eingelegt und zur Durchführung der Berufung und für eine beabsichtigte Berufungserweiterung – mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung – Prozesskostenhilfe beantragt. In der Berufungsverhandlung vom …6.2000 hat der erkennende Senat dem Beklagten in vollem Umfang Prozesskostenhilfe (mit Ratenzahlungsanordnung) bewilligt. Seine Berufung hatte teilweise Erfolg. In Höhe von 39.224,11 DM nebst Zinsen ist die Klage rechtskräftig abgewiesen worden. Ausfertigungen des im Verhandlungstermin verkündeten Senatsurteils sind den Prozessbevollmächtigten der Parteien jeweils am 11.7.2000 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 8.8.2000 hat der Beklagte gegen den landgerichtlichen Beschluss vom 26.10.1999 Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, er habe die Einlegung der Beschwerde aus Kostengründen vom Ausgang des Berufungsverfahrens abhängig gemacht. Für die Erfolgsaussicht seiner Rechtsverteidigung sei die Berufungsentscheidung maßgebend. Das LG hat die Beschwerde als unzulässig erachtet und ihr nicht abgeholfen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Rechtsmittel ist unzulässig, weil es verspätet eingelegt worden ist.

1. Gemäß § 127 Abs. 2 ZPO findet gegen Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe die Beschwerde statt. Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich nach §§ 567 ff. ZPO. Grundsätzlich ist das Rechtsmittel an keine Frist gebunden. Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt die Beschwer des Beschwerdeführers voraus. Anerkannt ist, dass trotz formaler Beschwer das Rechtsschutzbedürfnis fehlen kann. Das kann namentlich dann der Fall sein, wenn die Beschwerde ohne zureichenden Grund erst nach langer Zeit eingelegt wird (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 567 Rz. 9 f. m.w.N.).

Unter welchen Voraussetzungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde entfällt, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 127 Rz. 55). Teilweise wird auch die Auffassung vertreten, die Verspätung einer Beschwerde führe nicht zu ihrer Unzulässigkeit. Das Rechtsmittel könne sich aber als unbegründet erweisen, weil die Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) grundsätzlich nach dem Sach- und Streitstand zur Zeit der Beschwerdeentscheidung zu beurteilen sei und in einem nicht mehr anhängigen Verfahren Rechtsverfolgung und -verteidigung keine Aussicht auf Erfolg mehr hätten (Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 127 Rz. 52)

Eine Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren kann noch nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens ergehen. Das gilt auch für das Beschwerdeverfahren. Anerkannt ist, dass Prozesskostenhilfe grundsätzlich rückwirkend und auch noch nach Abschluss des Verfahrens bewilligt werden kann, wenn der Bewilligungsantrag während des Verfahrens gestellt, aber nicht beschieden worden ist. Die Rückwirkung kann bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der Antragsteller durch einen formgerechten Antrag unter Beifügung der etwa erforderlichen Unterlagen von seiner Seite aus die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe geschaffen hat (BGH MDR 1982, 217). Daraus folgt aber nicht, dass die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags zeitlich unbeschränkt eingelegt werden kann. Zweck der Prozesskostenhilfe ist es, einer bedürftigen Partei die Prozessführung zu ermöglichen, nicht jedoch, ihr die Kosten des Verfahrens für einen bereits geführten Prozess abzunehmen (OLG Oldenburg v. 28.5.1990 – 14 WF 52/90, NJW-RR 1991, 189). Deswegen hat die Partei, der Prozesskostenhilfe versagt wurde, die Beschwerde grundsätzlich vor Abschluss der Instanz ein...

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