Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungslast bei einem Testament mit teilweise ausgeschnittenem Text. Beweiswert eines Testaments. Ermittlung des tatsächlichen Erblasserwillens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Erbscheinsantrag auf ein Testament gestützt, das ersichtlich unvollständig ist, da aus der Urkunde ein Teil des Textes herausgeschnitten wurde, so ist zu prüfen, ob sich der fehlende Teil rekonstruieren lässt. Dahinstehen kann der fehlende Textbestandteil nur, wenn sich feststellen lässt, dass die Ausschneidung von dem Erblasser oder auf seine Veranlassung vorgenommen wurde, da dann regelmäßig von einem teilweisen Widerruf auszugehen ist.

2. Lässt sich nach Durchführung der nach §§ 2358 BGB, 12 FGG gebotenen Ermittlungen weder der Inhalt des fehlenden Textbestandteils, noch die Urheberschaft des Erblassers hinsichtlich der Veränderung feststellen, geht dies zu Lasten desjenigen, der sein Erbrecht auf die letztwillige Verfügung stützen will. Denn er trägt die materielle Feststellungslast für den gesamten Inhalt des Testaments

 

Normenkette

BGB §§ 2255, 2359; FGG §§ 12, 25

 

Verfahrensgang

LG Detmold (Beschluss vom 28.07.2006; Aktenzeichen 3 T 391/03)

AG Lemgo (Aktenzeichen 11 VI 84/03)

 

Tenor

Die weiteren Beschwerden werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung und die Wertfestsetzung des LG abgeändert und wie folgt neu gefasst werden:

In dem Erstbeschwerdeverfahren sowie dem ersten Verfahren der weiteren Beschwerde vor dem Senat zu 15 W 233/04 findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht statt.

In dem vorliegenden Verfahren der weiteren Beschwerde haben die Beteiligten zu 1) und 2) der Beteiligten zu 3) ihre außergerichtlichen Kosten als Teilschuldner zu je ½ Anteil zu erstatten.

Von der Festsetzung eines Gegenstandswertes für Zwecke der Erhebung von Gerichtsgebühren für das Verfahren der ersten Beschwerde wird abgesehen. Der Gegenstandswert für die Erhebung von Gerichtsgebühren für das vorliegende Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Erblasserin war nicht verheiratet und hat keine Abkömmlinge hinterlassen. Von ihren fünf Geschwistern war ihr Bruder I C vorverstorben. Er hat drei Kinder hinterlassen, nämlich die Beteiligten zu 1), 2) und 5). Ebenfalls vorverstorben, jedoch ohne Abkömmlinge, war der unverheiratete Bruder der Erblasserin B C. Die Schwestern I2 und F C sind während der Anhängigkeit des vorliegenden Verfahrens verstorben ohne Abkömmlinge zu hinterlassen. Ebenso ist der weitere Bruder der Erblasserin, F2 C, während des vorliegenden Verfahrens verstorben. Er ist von seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 3), beerbt worden.

Die unverheirateten Geschwister, also B, F und I2 C sowie die Erblasserin haben Anfang der 80er Jahre aufgrund einer formlosen Übereinkunft jeweils privatschriftliche Testamente errichtet, durch die sie die anderen der unverheirateten Geschwister zu Miterben einsetzten. Aufgrund dieser Testamente wurde B C durch seine drei Schwestern und F2 C durch ihre Schwester Erna beerbt. Das Testament, das die Erblasserin in diesem Zusammenhang errichtet hat, ist nicht mehr auffindbar.

Unter dem 29.10.2002 errichtete die Erblasserin ein eigenhändiges Testament, das, soweit die Urkunde noch existent ist, folgenden Text hat:

"... Hiermit setze ich ... meine Neffen

I3 C, M2, T Str. ...

H C, C2, N-Straße ...

jeweils zur Hälfte zu Erben ein ..."

Die Urkunde, die auf einem linierten DIN-A4-Blatt niedergeschrieben ist, ist insoweit unvollständig, als der zwischen den Textteilen "Hiermit setze ich" und "meine Neffen" ein Teil des Blattes im Umfang von etwas mehr als einer Zeile mittels eines scharfen Werkzeugs herausgeschnitten wurde.

Mit notariellem Schreiben vom 14.5.2003 reichten die Beteiligten zu 1) und 2) die Testamentsurkunde zwecks Eröffnung beim Nachlassgericht ein. Zugleich beantragten sie die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der sie als Miterben zu ½ ausweisen soll.

Das Nachlassgericht hat durch Vorbescheid vom 4.11.2003 die antragsgemäße Erteilung eines Erbscheins angekündigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass keine Zweifel bestünden, dass die Veränderung der Urkunde durch die Erblasserin vorgenommen worden sei. Ihrer Art nach ergebe sich aus der Veränderung kein Widerruf, sondern lediglich eine Abänderung der letztwilligen Verfügung.

Gegen den Vorbescheid haben die Beteiligten zu 3) und 4) Beschwerde erheben lassen. Das LG hat den Vorbescheid aufgehoben. Auf die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) hat der Senat die landgerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen. Nach Durchführung weiterer Ermittlungen hat das LG den Vorbescheid wiederum aufgehoben. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1) und 2) mit ihren weiteren Beschwerden.

II. Die an keine Frist gebundenen weiteren Beschwerden sind statthaft und formgerecht eingelegt, §§ 27, 29 Abs. 1, Abs. 4 i.V.m. § 21 Abs. 2 FGG. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) und 2) folgt daraus, dass das LG die amtsgerichtlich...

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