Leitsatz (amtlich)

›1. Eine Brauerei ist nicht verpflichtet, auf Bierflaschen vor den Gefahren übermäßigen Alkoholkonsums zu warnen.

2. Die Informationspflicht des Herstellers erstreckt sich nicht auf Risiken, die allgemein bekannt sind.‹

 

Verfahrensgang

LG Essen (Beschluss vom 19.01.2000; Aktenzeichen 6 O 573/99)

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Schadensersatzklage, mit der er die Gegnerin wegen fehlender Warnhinweise vor Alkoholmissbrauch in Anspruch nehmen will.

Der Antragsteller behauptet, er habe seit etwa 17 Jahren von der Gegnerin hergestelltes Bier konsumiert und sei dadurch alkoholkrank geworden. Aus diesem Grunde habe sich seine Ehefrau von ihm scheiden lassen und sei er arbeitslos geworden. Des Weiteren habe er seine Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit am Steuer verloren. Er vertritt die Ansicht, die Gegnerin sei verpflichtet gewesen, auf die Gefahren hinzuweisen, die bei regelmäßigem, insbesondere aber exzessivem Konsum des von ihr hergestellten Produkts ... entstehen könnten. Er behauptet, wenn sich auf den von ihm erworbenen Flaschen Warnhinweise befunden hätten, wäre er von übermäßigem Trinkkonsum abgehalten worden.

Mit der beabsichtigten Klage begehrt der Antragsteller ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 30.000 DM sowie die Feststellung einer Schadenersatzpflicht der Gegnerin für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden, die ihm aus dem Alkoholkonsum noch entstehen werden.

Die Gegnerin tritt diesem Begehren entgegen. Sie verneint eine Verpflichtung zu besonderen Hinweisen auf die Gefahren übermäßigen Alkoholkonsums und bestreitet, dass der Antragsteller sich von derartigen Warnhinweisen von seinem Bierkonsum hätte abhalten lassen.

Das Landgericht hat die beantragte Prozesskostenhilfe im Wesentlichen mit der Begründung verweigert, dass es für eine Hinweispflicht auf "Risiken und Nebenwirkungen" von Bier keine gesetzliche Vorschrift gebe, dass die Alkoholhaltigkeit von Bier allgemein bekannt sei und selbst bei Annahme einer Produkthaftung der Gegnerin das Eigenverschulden des Antragstellers derart schwer wiege, dass demgegenüber eine Verantwortlichkeit der Gegnerin nicht mehr ins Gewicht falle.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Prozesskostenhilfegesuch weiter, wobei er als Anspruchsgrundlage die aus § 823 BGB hergeleitete Produzentenhaftung wegen Verstoßes gegen Instruktions- und Produktbeobachtungspflichten in den Vordergrund stellt.

II.

Die gemäß 127 Abs. 2 ZPO statthafte Beschwerde ist unbegründet.

Das Landgericht hat die beantragte Prozesskostenhilfe zu Recht verweigert; denn die von dem Antragsteller beabsichtigte Schadenersatzklage bietet auch nach der Beurteilung des Senats keine Aussicht auf Erfolg.

1. Dem Antragsteller steht kein nach §§ 823, 847 BGB aus Produzentenhaftung hergeleiteter Schadenersatzanspruch gegen die Gegnerin zu.

a) Nach anerkannter Rechtsprechung ist der Hersteller eines Produktes im Rahmen der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht zwar unter anderem gehalten, die Produktanwender durch sachgemäße Instruktionen vor Gefahren zu warnen, die von dem Produkt ausgehen können (Instruktionspflicht). Diese Pflicht erstreckt sich jedoch nicht auf solche Risiken, die jedem Verständigen einleuchten. Da sie nur die selbstverantwortliche Gefahrensteuerung ermöglichen soll, ist eine Warnung nicht erforderlich, wenn und soweit der Produktanwender selbst über die sicherheitsrelevanten Informationen verfügt und sie ihm im konkreten Fall gegenwärtig sind (BGH, NJW 1994, 932, 933 m.w.N.; Meyer, Instruktionshaftung, 1992, S. 126). Da hiernach die Instruktionspflicht grundsätzlich nur im Rahmen der vernünftigen. Verbrauchererwartung besteht, kann eine Instruktion von dem Hersteller im Allgemeinen nur dann verlangt werden, wenn er damit rechnen muss, dass seine Produkte in die Hand von Personen gelangen, die mit den Produktgefahren nicht vertraut sind.

Was dagegen auf dem Gebiete allgemeinen Erfahrungswissens der in Betracht kommenden Abnehmerkreise liegt, braucht nicht zum Inhalt einer Warnung gemacht werden (BGH, NJW 1986, 1863, 1864 m.w.N.).

b) Legt man diesen Maßstab, von dem abzuweichen auch in Fällen der vorliegenden Art kein Grund besteht, auf die Frage der Warnbedürftigkeit vor den Gefahren übermäßigen Alkoholkonsums an, so ist hier eine Instruktionspflicht zu verneinen. Die Kenntnis von den Wirkungen alkoholischer Getränke gehört zwar nicht bezüglich der medizinischen Details, wohl aber hinsichtlich der Kernproblematik zum allgemeinen Grundwissen. Daran kann bei lebensnaher Würdigung kein ernsthafter Zweifel bestehen.

Von der Instruktionspflicht überhaupt nicht berührt ist die Frage der mehr oder weniger leichten Verführbarkeit zum Alkoholkonsum. Die Instruktionspflicht soll dem Produktbenutzer nämlich lediglich eine Entscheidungsgrundlage dafür bieten, ob er das Risiko bei der Produktbenutzung auf sich nehmen öder das Produkt wegen seines Risikos meiden will (Zekoll, NJW 1999, 2722, 2723). Hingegen soll ...

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