Entscheidungsstichwort (Thema)

Umgangsrecht: Festlegung einer Umgangsregelung unter Berücksichtigung der Umgangsverweigerung durch die Kindesmutter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Möglichkeit der Anordnung einer Umgangspflegschaft nach § 1684 III 3 BGB stellt in der Regel ein milderes Mittel im Verhältnis zum Teilentzug der elterlichen Sorge, beschränkt auf das Recht zur Gewährung von Umgangskontakten mit dem gemeinsamen Kind, dar, wenn diese Maßnahme ausreicht, um der den Teilentzug begründenden Gefährdung des Kindeswohls angemessen zu begegnen.

2. Jede gerichtliche Entscheidung über unbegleiteten oder begleiteten Umgang des Kindes mit dem nicht betreuenden Elternteil muss grundsätzlich eine konkrete Regelung über die Modalitäten des Umgangs, insbesondere hinsichtlich der Häufigkeit, der Zeit und des Ortes des Umgangs, sowie zur Verpflichtung betreffend das Bringen und Abholen des betroffenen Kindes enthalten.

3. Die sich aus § 1684 III 4 BGB ergebende Befugnis des Umgangspflegers, bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern über den Ort des Umgangs, den Ort der Übergabe und über erforderliche Nachholtermine für ausgefallene Umgangskontakte zu entscheiden, schließt nicht die gem. § 1684 III 1 BGB ausschließlich dem Gericht zugewiesene Befugnis ein, auch über den Umfang des Umgangs, insbesondere über die Häufigkeit und die Dauer der Umgangskontakte zu entscheiden; eine solche Entscheidungsbefugnis kann dem Umgangspfleger auch nicht vom Gericht eingeräumt werden.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1666a, 1684

 

Verfahrensgang

AG Marl (Beschluss vom 13.11.2009; Aktenzeichen 26 F 156/08)

 

Tenor

I) Auf die befristete Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Marl vom 13.11.2009 unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Antragsgegnerin im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Vater hat das Recht und die Pflicht, mit dem gemeinsamen Kind Q in zweiwöchigen Abständen, ohne Anwesenheit Dritter, wie folgt zusammen zu sein: Am Samstag, den 14.8.2010, und am Samstag, den 28.8.2010, in der Zeit von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr, sowie am Samstag, den 11.9.2010, und an den nachfolgenden Samtsagen einer jeden geraden Kalenderwoche, beginnend mit dem 25.9.2010 in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr.

2. Zur Sicherstellung der Durchführung des Umgangs, insbesondere der Herausgabe des Kindes und der Bestimmung des Aufenthalts für die Dauer des Umgangs, wird eine Umgangspflegschaft angeordnet. Die Umgangspflegschaft ist befristet bis zum 31.7.2011. Zur Umgangspflegerin wird Frau S aus C bestellt.

3. Die Mutter hat das Kind zu den festgesetzten Zeiten rechtzeitig zur Abholung bereitzuhalten und es zum Mitgehen zu veranlassen.

4. Der Vater hat das Kind rechtzeitig an der Wohnung der Mutter abzuholen und pünktlich dorthin zurückzubringen. Für die Dauer der Umgangspflegschaft wird diese Aufgabe von der Umgangspflegerin (anstelle des Vaters) wahrgenommen.

5. Der Vater ist verpflichtet, für die Dauer des Umgangs mit dem Kind seinen gültigen Reisepass bei der Umgangspflegerin zu hinterlegen. Nach Ablauf der Befristung der Umgangspflegschaft erfolgt die Hinterlegung zu Händen der Mutter. Die Mutter ist verpflichtet, dem Vater seinen Reisepass nach Beendigung eines Umgangskontaktes unbeschädigt wieder herauszugeben.

6. Die Mutter hat den Vater rechtzeitig von der Erkrankung des Kindes oder anderen wichtigen Umständen, die einem Besuch des Kindes beim Vater entgegenstehen (z.B.: Urlaube, Kindergeburtstage, Schulfeste, Familienfeiern aus wichtigem Anlass und dgl.), zu benachrichtigen.

7. Der Vater hat der Mutter rechtzeitig mitzuteilen, wenn er einen festgesetzten Besuch aus triftigen Gründen (z.B. wegen Erkrankung, Urlaub, wichtiger beruflicher Verpflichtungen und dgl.) nicht wahrnehmen kann.

8. Fällt ein Besuchskontakt aus den zu Ziff. 6. oder 7. genannten Gründen aus, tritt anstelle des ausgefallenen Besuchskontaktes der Nächstmögliche.

9. Den Eltern wird untersagt, das Kind negativ gegen den anderen Elternteil zu beeinflussen.

10. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung dieses Beschlusses wird dem zuwiderhandelnden Elternteil ein Ordnungsgeld von bis zu fünfundzwanzigtausend Euro, ersatzweise Ordnungshaft angedroht.

II) Die Gerichtskosten des Verfahrens (erster und zweiter Instanz) werden den beteiligten Kindeseltern zu je ½ auferlegt.

III) Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Das am 5.11.2003 geborene Kind Q entstammt aus einer Beziehung zwischen den beteiligten Kindeseltern, welche im Mai 2004 beendet worden ist. Q befindet sich in der Obhut der Kindesmutter (Antragsgegnerin). Die am 17.3.1968 geborene Kindesmutter ist deutsche Staatsbürgerin. Sie ist seit Februar 2008 mit Herrn Q2 verheiratet. Der am 19.1.1962 geborene Kindesvater (Antragsteller) ist türkischer Staatsbürger. Er hat bis Februar 2004 in der Türkei gelebt. Seit spätestens Juni 2004 hält er sich dauerhaft in Deutschland auf. Er besitzt eine befristete Aufenthaltserlaubnis und beabsichtigt, sich i...

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