Leitsatz (amtlich)

Ein Richter ist nicht deswegen befangen, weil er einem beauftragten Sachverständigen nicht Abschriften aller Schriftsätze der Parteien zuleitet. Gem. § 404a Abs. 1 ZPO obliegt es dem Gericht, Art und Umfang der Sachverständigentätigkeit zu bestimmen. Hierzu gehört die Befugnis des Richters festzulegen, ob dem Sachverständigen Abschriften eines Schriftsatzes zuzuleiten sind. Ein Richter ist auch nicht deswegen befangen, weil er die Parteien nicht über sämtliche Kontakte des Gerichts zum Sachverständigen unterrichtet. Gem. § 404a Abs. 5 ZPO sind den Parteien die dem Sachverständigen erteilte Weisungen mitzuteilen. Die Vorschrift verpflichtet das Gericht nicht dazu, die Parteien über alle Kontakte zum Sachverständigen zu informieren. Der Sachverständige ist weisungsgebundener Berater des Gerichts, so dass in seinem Verhältnis zum Gericht keine Unabhängigkeit zu wahren ist. Um dem Anschein einer Befangenheit des Sachverständigen und/oder des Gerichts vorzubeugen, kann es aber hilfreich sein, wenn das Gericht nicht nur erteilte Weisungen, sondern auch andere Kommunikationsinhalte mit dem Sachverständigen in den Akten dokumentiert und die Parteien jedenfalls auf Nachfrage offenbart.

 

Normenkette

ZPO §§ 42, 168, 270, 404a

 

Verfahrensgang

LG Münster (Beschluss vom 02.02.2016; Aktenzeichen 10 O 271/12)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2) gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Münster vom 02.02.2016 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 128.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten vorliegend über die Wirksamkeit der Bestellung des Klägers zum Testamentsvollstrecker nach der am 23.01.20xx verstorbenen L geb. N im notariellen Testament der Erblasserin vom 02.07.2007, beurkundet durch den Notar T1 in F (UR-Nr. xxx/2007).

Die Beklagten bestreiten u.a. die Testierfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserstellung.

Das LG hat mit Beschluss vom 25.02.2014 den Sachverständigen Dr. med. H, Arzt für Neurologie und Psychiatrie und Chefarzt der Geriatrie/Neurologie im F1 Krankenhaus S zum Gutachter ernannt und ihn mit der Erstattung eines Gutachtens zu dieser Frage beauftragt.

In der mündlichen Verhandlung vom 22.07.2015 lehnten beide Beklagte durch ihre Prozessbevollmächtigten den Einzelrichter, Vorsitzender Richter am LG T, wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Die Beklagte zu 2) lehnte außerdem auch den Sachverständigen ab. Eine mündliche Begründung ist nicht zu Protokoll gegeben worden, sondern es wurde ein begründender Schriftsatz angekündigt.

Mit Schriftsätzen vom 13.08., 24.09. und 01.10.2015 sowie 29.02.2016 begründete die Beklagte zu 2) sodann ihren Ablehnungsantrag. Wegen der Einzelheiten wird auf die jeweiligen Schriftsätze Bezug genommen.

Der abgelehnte Richter hat unter dem 22.10.2015 eine dienstliche Stellungnahme zum Vorbringen u.a. der Beklagten zu 2) abgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die dienstliche Stellungnahme Bezug genommen.

Das LG hat die Ablehnungsgesuche beider Beklagten mit Beschluss vom 02.02.2016 zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte zu 2) mit ihrer sofortigen Beschwerde, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet:

1. Der abgelehnte Richter habe den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) vom 12.06.2015 verfahrensfehlerhaft nicht dem Sachverständigen zugeleitet bzw. sich nicht ordnungsgemäß versichert, dass dem Sachverständigen der Schriftsatz zugegangen sei. Hierzu habe Veranlassung bestanden, weil allein der abgelehnte Richter Kenntnis davon gehabt habe, dass dieser Schriftsatz erst am 17.7. beim Gericht eingegangen und die Weiterleitung durch ihn verfügt worden sei. Der abgelehnte Richter habe damit in Kauf genommen, dass der Sachverständige seine mündliche Stellungnahme auf unvollständiger Basis abgeben würde. Zugleich habe er verhindert, dass der Vortrag der Prozessparteien in vollem Umfang allen anderen Verfahrensbeteiligten zugeleitet werde. Selbiges gilt für die Schriftsätze der Beklagten zu zwei vom 16.06. und 24.06.2015. Auch weitere Schriftsätze der Parteien seien entweder nicht an den Sachverständigen gelangt oder jedenfalls nicht auf Veranlassung des abgelehnten Richters.

2. Der Schriftsatz der Beklagten zu 2) vom 02.07.2015 sei vom abgelehnten Richter verfahrensfehlerhaft und in diesem Fall bewusst nicht an den Sachverständigen weitergeleitet worden. Der abgelehnte Richter habe diesen Schriftsatz, der sich mit den Aussagen der vernommen Zeugen befasse, nicht einfach aussortieren und dem Sachverständigen vorenthalten dürfen. Das Vorgehen sei grob verfahrensfehlerhaft.

3. Der abgelehnte Richter und der Sachverständige hätten zugestandener Maßen in den Verhandlungspausen am 27.05. und 10.06.2015 zusammengesessen und unter Ausschluss der übrigen Verfahrensbeteiligten über die Sache selbst gesprochen und auch über einzelne Zeugenaussagen.

Es gehe nicht an, dass ei...

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