Entscheidungsstichwort (Thema)

Protokollberichtigung. Verfahren. rechtliches Gehör. Rügeverkümmerung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird das vom Großen Senat für Strafsachen des BGH vorgegebene Verfahren der nachträglichen Protokollberichtigung nicht eingehalten oder nicht durchgeführt, gilt das Protokoll in der nicht berichtigten Fassung.

2. Die (nochmalige) Rückleitung der Akten an das Instanzgericht zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Berichtigungsverfahrens scheidet dann ebenso aus wie eine freibeweisliche Aufklärung des tatgerichtlichen Verfahrensablaufs durch das Revisionsgericht.

 

Normenkette

StPO §§ 261, 274

 

Verfahrensgang

AG Bad Oeynhausen (Aktenzeichen 5 Cs 14 Js 1218/09 (658/09))

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bad Oeynhausen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Bad Oeynhausen hat den Angeklagten am 15.12.2009 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,- € verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von noch fünf Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Nach den zugrunde liegenden Feststellungen befuhr der Angeklagte am 16.07.2009 gegen 21.26 Uhr mit einem Personenkraftwagen der Marke Daimler-Chrysler mit dem amtlichen Kennzeichen #### in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand u.a. die Q-Straße in C in Richtung M. Seine Fahruntüchtigkeit hätte der Angeklagte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen können und müssen.

Die Fahruntüchtigkeit des Angeklagten hat das Amtsgericht zunächst aufgrund der Aussage des ihn anhaltenden Polizeibeamten festgestellt. Nach dessen Wahrnehmung hatte der Angeklagte Alkohol konsumiert und zeigte deutliche, typische alkoholbedingte Ausfallerscheinungen, insbesondere einen unsicheren Gang und körperliche Koordinationsschwierigkeiten. Unabhängig von der Feststellung eines konkreten Atem-Blutalkoholwertes könne aus dem Vorliegen des von dem Zeugen beschriebenen Atemalkoholgeruchs und der von ihm geschilderten körperlichen Defizite kein anderer als der Rückschluss gezogen werden, dass der Angeklagte zuvor alkoholisiert ein Fahrzeug geführt hat und hierzu körperlich nicht mehr in der Lage gewesen sei. Dies werde auch dadurch gestützt, dass die Polizeibeamten aufgrund der Beobachtung Dritter alarmiert worden seien, die aufgrund der auffälligen Fahrweise die Polizei in N über das Fahrzeug informiert hatten.

"Ohne dass es überhaupt noch hierauf ankäme" - so das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil - werde die Fahruntüchtigkeit des Angeklagten auch durch die entnommene Blutprobe und den nach Auswertung der Blutprobe festgestellten Blutalkoholwert von 2,76 Promille zur Blutentnahmezeit um 22.12 Uhr gestützt. Im Weiteren macht das Amtsgericht dann Ausführungen zur Verwertbarkeit des Ergebnisses der Blutprobe, deren Entnahme durch die Polizeibeamten und nicht etwa durch einen Richter angeordnet worden war.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Revision des Angeklagten wird die Sachrüge erhoben. Darüber hinaus erhebt der Angeklagte mehrere Verfahrensrügen.

II.

1.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat mit der Verfahrensrüge der Verletzung des § 261 StPO Erfolg. Der Angeklagte hat hierzu vorgetragen, dass das Blutalkoholgutachten vom 20.07.2009 als Beweismittel verwertet worden sei, obwohl dieses Gutachten weder durch Verlesung noch in anderer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei, weder im Wege des Vorhalts, noch der Inaugenscheinnahme, des Selbstleseverfahrens, der Befragung von Zeugen oder durch Vernehmung des Sachverständigen.

Der Vortrag der Revision wird bewiesen durch das Hauptverhandlungsprotokoll vom 15.12.2009. Dies lautet auszugsweise wie folgt:

"Beschlossen und verkündet:

Das Blutalkoholgutachten vom 20.07.2009 wird verlesen."

Mit Beschluss vom 30.09.2010 hat das Amtsgericht Bad Oeynhausen das Sitzungsprotokoll vom 15.12.2009 auf Anregung der Generalstaatsanwaltschaft Hamm dahingehend berichtigt, dass unter den vorbezeichneten Passus des Hauptverhandlungsprotokolls der Satz eingefügt wurde:

"Der Beschluss wurde ausgeführt."

Eine derartige Protokollberichtigung hatte die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm mit Schreiben vom 09.08.2010 angeregt. Zu diesem Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft hatte der Verteidiger des Angeklagten Stellung genommen, und zwar auch zur Frage der Protokollberichtigung. Zur eigentlichen Protokollberichtigung selbst durch das Amtsgericht Bad Oeynhausen ist weder der Angeklagte noch der Verteidiger gehört worden. Es sind auch keine dienstlichen Äußerungen der Protokollbeamten - Richterin und Protokollführerin - eingeholt worden. Vielmehr erfolgte die Protokollberichtigung auf einen Vermerk der Amtsrichterin, wonach diese eine "klare und deutliche Erinnerung" an die Verlesung des Blutalkoholgut...

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