Leitsatz (amtlich)

1) Für die Feststellung einer nahen Todesgefahr im Sinne des § 2250 Abs. 2 BGB ist maßgeblich auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem sich der Erblasser zur Errichtung eines Testaments entschließt. Unschädlich ist, dass ihm bereits zuvor ein hinreichender Zeitraum zur Verfügung stand, um einen Notar für eine Testamentserrichtung hinzuziehen.

2) Für die objektive Feststellung einer nahen Todesgefahr im Sinne des § 2250 Abs. 2 BGB reicht es nicht aus, dass der Erblasser an einer bösartigen metastasierenden Grunderkrankung litt, aufgrund der er nach der Bewertung des als Zeugen tätigen behandelnden Arztes innerhalb von ein bis zwei Tagen versterben konnte.

3) Dies gilt auch dann, wenn der nach Ziff. 1) maßgebende Zeitpunkt auf einen Samstagvormittag fällt, in dem die Erreichbarkeit eines Notars unter großstädtischen Verhältnissen erschwert, aber nicht ausgeschlossen ist.

 

Normenkette

BGB § 2250 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Essen (Beschluss vom 23.07.2015; Aktenzeichen 158 VI 639/14)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Die zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 1) am ... März 2014 (UR-Nr. .../2014 des Notars K) beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.

Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) vom ... März 2014 (UR-Nr. .../2014 des Notars Dr. P2) wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) und 2) tragen die Gerichtskosten erster Instanz als Gesamtschuldner. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000.000,- EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Erblasserin war geschieden. Der Beteiligte zu 1) ist ihr einziger Sohn.

Die Erblasserin litt vor ihrem Tode an Krebs im Endstadium. Sie begab sich am 4.2.2014 zur stationären Behandlung in das St. K Krankenhaus in F-X. Am 16.2.2014 wurde sie in das christliche Hospiz F-X verlegt. Dort verstarb sie am 19.2.2014.

In einem privatschriftlichen Testament vom 31.7.2013 hatte die Erblasserin ihren Sohn zum Alleinerben eingesetzt. Zugleich hatte sie in diesem Testament verfügt, dass Herr C2 sowie ihr Steuerberater, Herr L, ihrem Sohn beratend zur Seite stehen sollten.

Am 4.2.2014 suchte die Beteiligte zu 2) die Erblasserin im Krankenhaus zum Zwecke eines anwaltlichen Beratungsgesprächs auf. Die Erblasserin hatte sich im Hinblick auf die Schulden des Beteiligten zu 1) Sorgen um den Verbleib des Nachlasses gemacht. Die Beteiligte zu 2) schlug vor, eine Testamentsvollstreckung anzuordnen. Am Folgetag übersandte die Beteiligte zu 2) der Zeugin T, einer Freundin der Erblasserin, einen Entwurf eines Testamentes, in dem der Beteiligte zu 1) zum Alleinerben berufen und die Beteiligte zu 2) zur Testamentsvollstreckerin bestellt werden sollten. Die Zeugin T übergab der Erblasserin vereinbarungsgemäß diesen Entwurf, den diese sodann handschriftlich abfassen sollte. Am Morgen des 13.2.2014 suchte die Beteiligte zu 2) die Erblasserin erneut zu einem Beratungsgespräch im Krankenhaus auf. Im Anschluss daran übersandte die Beteiligte zu 2) der Zeugin T am Nachmittag des gleichen Tages einen überarbeiteten Entwurf eines Testamentes, in welchem in Abänderung zu dem zuvor erstellten Entwurf Vermächtnisse zu Gunsten der drei Enkelkinder der Erblasserin aufgenommen worden waren. Der Entwurf war mit "Nottestament" überschrieben und inhaltlich als Niederschrift zum Zwecke der Fertigung eines Nottestamentes verfasst und mit dem Datum des 13.2.2014 versehen worden.

Am Samstag, den 15.2.2014, wurde auf der Grundlage dieses Entwurfes im Krankenhaus vor drei Zeugen folgendes Nottestament errichtet:

"Nottestament

Ich, Frau H3, ausgewiesen durch den Personalausweis Nr. L ...Y... PM..., ausgestellt am 2.5.2013 in F, setze meinen Sohn, Herrn H2, P, zu meinem Alleinerben ein. Sollte dieser das Erbe ausschlagen, setze ich das Hospiz in X als Erben ein. Meinen Enkeln K H, geb. ... 93, S H, geb. am ... 95 vermache ich jeweils 20.000,00 EUR, meinem Enkel G, geb. am ... 2003 vermache ich 10.000,00 EUR. Das Geld soll den Vermächtnisnehmern erst bei Vollendung des 25. Lebensjahres ausbezahlt werden.

Ich ordne die Testamentsvollstreckung an. Als Testamentsvollstreckerin setze ich Frau F, E, ein.

Frau F soll die Schulden meines Sohnes in Höhe von ca. 35.400 EUR bei der B sowie ca. 29.400 EUR bei Herrn C begleichen. Darüber hinaus soll die Forderung des Insolvenzverwalters i.H.v. 19.794 EUR zzgl. Zinsen beglichen werden

Sollte mir dies zu meinen Lebzeiten nicht mehr möglich sein, soll Frau F die Immobilie J-Straße in F veräußern.

Ich verfüge, dass mein Sohn aus dem Erbe, soweit und solange möglich, monatliche Zahlungen i.H.v. 2.000,- EUR erhalten soll. Diese Anordnung gilt bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung ist bis zu diesem Tag befristet.

Essen, den 15.2.2014

H3

Vorstehende Niederschrift wurde Frau H am 15.2.2014 gegen 8:15 Uhr im Klinikum F-T laut vorgelesen und von ihr uneingeschrän...

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