Leitsatz (amtlich)

1. Überquert ein Radfahrer Bahnschienen hat er sich jedenfalls dann, wenn die Gleisanlage sich vom übrigen Straßenbelag deutlich abhebt und der Schienenverlauf gut sichtbar ist, auf die damit verbundenen Gefahr, mit den Reifen in die Schienenspur zu geraten und die Lenkfähigkeit zu verlieren, einzustellen.

2. Dies gilt insbesondere im Bereich eines Industriedenkmals (hier: ehemaliges Zechengelände), wo auf die sich aus dem Charakter der Anlage ergebenden Besonderheit, den Besuchern einen möglichst originalgetreuen Zustand nahezubringen, Bedacht genommen werden muss.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 1 O 76/15)

 

Tenor

beabsichtigt der Senat, die Berufung durch Beschluss gem. § 522 II ZPO zurückzuweisen.

 

Gründe

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung; eine Entscheidung nach mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Es sind auch sonst keine Gründe vorhanden, die die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung geboten erscheinen lassen.

Die Berufung verspricht offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, denn nach dem bisherigen Sach- und Streitstand steht der Klägerin gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld aus dem streitgegenständlichen Unfall zu. Das LG ist aus zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung - auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird - davon ausgegangen, dass auf der Grundlage des klägerischen Sachvortrages eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte nicht festgestellt werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (vgl. BGH NJW 2007, 1683, 1684). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr daher erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 II BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. BGH NJW 2007, a.a.O.; NJW 2008, 3778, 3776). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen (BGH NJW 2007, a.a.O.).

Unter den vorliegenden Umständen ist nicht zu beanstanden, dass das LG von der zuletzt genannten Fallgestaltung, bei der die Geschädigte ihren Schaden selbst zu tragen hat, ausgegangen ist. Die hiergegen von der Klägerin mit der Berufungsbegründung vorgebrachten Einwendungen und Argumente führen zu keinem anderen Ergebnis.

a) Soweit die Klägerin an ihrer Behauptung festhält, bei den nicht verfüllten Schienen im Gleisbereich der Kreuzung, auf welcher sie mit ihrem Fahrrad gestürzt ist, handele es sich um eine für sich nicht erkennbare Gefahrenquelle, kann dem nicht gefolgt werden.

Grundsätzlich darf ein Radfahrer auf Radwegen nicht mit einer ebenen schadlosen und von Hindernissen befreiten Fahrbahn rechnen. Er muss die gegebenen Verhältnisse vielmehr so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbieten und sein Fahrverhalten entsprechend anpassen. Mit typischen Gefahrenquellen, wie etwa Unebenheiten oder für ihn bereits aus der Entfernung sichtbaren Straßenaufbrüchen hat er dabei zu rechnen (vgl. OLG Koblenz, Urteil v. 16.3.2005 - 12 U 692/14 -, abgedr. bei Juris, Rz. 22 f.; OLG Stuttgart VersR 2004, 215). Insbesondere im Bereich vom Schienen oder in die Fahrbahn eingelassenen Gleisen hat er sich auf di...

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