Verfahrensgang

LG Arnsberg (Entscheidung vom 19.12.2011; Aktenzeichen III StVK 608/08)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Der Untergebrachte ist am 19. Dezember 2011 aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen.

Mit der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung tritt Führungsaufsicht ein, die fünf Jahre dauert.

Die nähere Ausgestaltung der Führungsaufsicht wird der Strafvollstreckungskammer Arnsberg übertragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Untergebrachten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

 

Gründe

I.

Der Verurteilte wendet sich mit seiner zulässigen sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß der Strafvollstreckungskammer Arnsberg, durch den sein Antrag verworfen worden ist, die weitere Vollstreckung der gegen ihn angeordneten Sicherungsverwahrung für unzulässig zu erklären.

Durch Urteil des Landgerichts Aachen vom 15. September 1994 ist der Beschwerdeführer wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern und wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern in einem weiteren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zur Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Durch weiteres Urteil des Amtsgerichts Werl vom 17. August 1993 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 25. Januar 1996 ist der Beschwerdeführer wegen falscher Verdächtigung in Tateinheit mit Verleumdung in zwei Fällen unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem vorgenannten Urteil und unter Einbeziehung der in diesem Urteil verhängten Einzelstrafen zu einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist aufrechterhalten worden. Das Strafende war am 20. April 1999 erreicht. Seit dem 21. April 1999 wird die Sicherungsverwahrung vollstreckt.

Der Senat hat nach Erlaß des Anfragebeschlusses des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 9. November 2010 - 5 StR 394/10, 5 StR 440/10 und 5 StR 474/10 - ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. y zu der Frage eingeholt, ob "eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- und Sexualverbrechen aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten" sei. Der Sachverständige hat sein Gutachten unter dem 7. März 2011 erstattet. Der Senat hat es den Verfahrensbeteiligten zur Stellungnahme zugeleitet. Der 5. Strafsenat hat nunmehr nach Erlaß des grundlegenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung am 4. Mai 2011 das Anfrageverfahren beendet, da die entscheidungserhebliche Vorlegungsfrage durch dieses Urteil geklärt worden sei.

(Beschlüsse vom 23. Mai 2011).

II.

1. Bei dem Beschwerdeführer, der sich erstmals in der Sicherungsverwahrung befindet, handelt es sich um einen Untergebrachten, bei dem die ursprünglich auf die Höchstfrist von zehn Jahren festgesetzte Dauer der Sicherungsverwahrung aufgrund von § 67 d Abs. 3 S. 1 StGB in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I, 160) über diese Höchstfrist hinaus nachträglich ohne zeitliche Befristung verlängert worden ist.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09, 2 BvR 740/10, 2 BvR 2333/08, 2 BvR 1152/10 und 2 BvR 571/10 - verstößt diese Verlängerung gegen Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG und gegen Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und ist damit mit dem Grundgesetz unvereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hat die zugrundeliegenden Regelungen - allerdings mit ganz erheblichen Einschränkungen - längstens bis zum 31. Mai 2013 weiterhin für anwendbar erklärt. Nach dieser mit Gesetzeskraft ausgestatteten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darf die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in derartigen Altfällen über zehn Jahre hinaus nur noch angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (ThUG) leidet.

2. Zwar steht nach dem vom Senat eingeholten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. y, dessen überragende Sachkunde als einer der renommiertesten und erfahrensten forensischen Psychiater außer Frage steht, fest, daß von dem Untergebrachten eine solche hochgradige Gefahr jedenfalls schwerster Sexualstraftaten ausgeht, die sich aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten ableiten läßt.

Der Untergebrachte ist in der Vergangenheit wegen schwerster Straftaten strafrechtlich in Erscheinung getreten.

a) Nach zwei hier nicht relevanten Jugendverfehlungen verurteilte ihn das Landgericht Mönchengladbach am 3. Mai 1977 wegen Mordes und wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von neun Jahren...

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