Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsuntersagung. Prostitutionsstätte. Massagesalon. Dokumentation Kundenkontaktdaten

 

Leitsatz (amtlich)

1) Das bußgeldbewehrte Verbot des Betriebs von Prostitutionsstätten aus § 18 Abs. 2 Nr. 14 CoronaSchVO NRW (hier und nachfolgend in der Fassung vom 11.05.2020) i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 5 CoronaSchVO NRW ist rechtmäßig.

2) Ein Massagesalon, in welchem zum Abschluss der Massage entgeltlich die manuelle sexuelle Befriedigung des Kunden angeboten wird, stellt eine Prostitutionsstätte im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 5 CoronaSchVO NRW dar.

3) Betreibt der Betroffene - wie vorstehend beschrieben - verbotswidrig einen Massagesalon als Prostitutionsstätte, liegt nicht zugleich ein (tateinheitlicher) Verstoß gegen § 12 Abs. 2 Nr. 4 CoronaSchVO NRW i.V.m. der "Anlage Hygiene- und Infektionsschutzstandards VI. Nr. 4 vor, wenn er Kundenkontaktdaten nicht dokumentiert.

 

Normenkette

CoronaSchVO NRW § 10 Abs. 1 Nr. 5 Fassung: 2020-05-11, § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Fassung: 2020-05-11, § 18 Abs. 2 Nr. 14 Fassung: 2020-05-11; IfSG § 28 Abs. 1 S. 1, § 32; ProstSchG § 2; GG Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Essen (Aktenzeichen 49 OWi - 28 Js 1154/20 9/21)

 

Tenor

Die Sache wird auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich der Vorsitzenden übertragen (Alleinentscheidung des mitunterzeichnenden Einzelrichters).

Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Essen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat die Betroffene am 19.04.2021 wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die Coronaschutzverordnung NRW - konkret wegen des Betriebs einer Prostitutionsstätte sowie (tateinheitlich hierzu) wegen unterlassener Dokumentation von Kundenkontaktdaten (§§ 10 Abs. 1 Nr. 5, 12 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Anlage Nr. VI. 4., 18 Abs. 2 Nr. 14 CoronaSchVO NRW (hier und nachfolgend soweit nicht anders vermerkt in der Fassung vom 11.05.2020) i.V.m. §§ 27 Abs. 1, 32, 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG zu einer Geldbuße von 5.000 € verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen betreibt die Betroffene einen Massagesalon in Z. Durch Einträge in einschlägigen Internetforen entstand beim Ordnungsamt Z der Anfangsverdacht, dass in dem Massagesalon auch sexuelle Dienstleistungen angeboten werden. Zur Überprüfung vereinbarte der Zeuge A als Mitarbeiter der Stadt Z einen Massagetermin für den 15.05.2020. Im Massagesalon wurde er von der Betroffenen begrüßt und durch die gesondert verfolgte Zeugin B in ein Massagezimmer geleitet. Auf die Nachfrage des Zeugen bot die Zeugin B eine "Handentspannung" und damit eine manuelle sexuelle Befriedigung für eine zusätzliche Zahlung in Höhe von 20 € an. Bei der nachfolgenden Kontrolle durch das Ordnungsamt wurden Gleitgel sowie in mehreren Mülleimern verklebte Feuchttücher und mehrere Rollen Küchenpapier vorgefunden. Kundenkontaktdaten zur Nachverfolgung wurden in dem Betrieb nicht erhoben.

Gegen das Urteil wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit welcher sie unter Erhebung der allgemeinen Sachrüge insbesondere beanstandet, das Amtsgericht habe sich in der Beweiswürdigung nicht mit ihrem Einwand auseinandergesetzt, dass die Zeugin B die sexuellen Dienste in eigener Regie ohne ihr Wissen angeboten habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des Rechts dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich der Vorsitzenden zu übertragen (§ 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG).

Das angefochtene Urteil wirft in materiell-rechtlicher Hinsicht entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und abstraktionsfähige Rechtsfragen auf, ob (1) der Ordnungswidrigkeitentatbestand aus § 10 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 14 CoronaSchVO von der Ermächtigungsgrundlage des § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gedeckt ist und ob (2) das Betreiben eines Massagesalons, in denen zum Abschluss der Massage die manuelle sexuelle Befriedigung des Kunden angeboten wird, dem generellen Verbot aus § 10 Abs. 1 Nr. 5 CoronaSchVO NRW unterfällt oder unter Einhaltung von Hygiene- und Infektionsschutzstandards nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 CoronaSchVO NRW zulässig ist.

Hinsichtlich der ersten Fragestellung sind obergerichtliche bzw. höchstrichterliche Entscheidungen im Bußgeldverfahren - soweit ersichtlich - noch nicht ergangen. Die (voraussichtliche) Rechtmäßigkeit der vollständigen Betriebsuntersagung von Prostitutionsstätten durch die verschiedensten Fassungen von Coronaschutzverordnungen ist bundesweit Gegenstand einer Vielzahl oberverwaltungsgerichtlicher Entscheidungen, die jeweils im Eilrechtsschutz getroffen wurden. Vor dem Hintergrund, dass sowohl das Infektionsgeschehen als auch die Konzepte der Landesgesetzgeber zur Infektionsbekämpfung einem ständigen Wandel unterworfen waren, ist die Fragestellung einzelf...

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