Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt der Beurteilung der Erfolgsaussicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Gericht hat die Sach- und Rechtslage auch bei einer Verschlechterung der Erfolgsaussichten während des VKH-Verfahrens grundsätzlich nach dem letzten Erkenntnisstand zu beurteilen, der sich nach Durchführung des Beschwerdeverfahrens ergibt, § 571 ZPO.

2. Die Verfügungsbefugnis fehlt dem Insolvenzverwalter gem. § 80 InsO nur insoweit, als das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen betroffen ist. Nach § 36 InsO fallen Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, aber nicht in die Insolvenzmasse, wozu nach § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO auch Unterhaltsrenten gehören.

 

Normenkette

FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO §§ 114, 571, 850b Abs. 1 Nr. 2; InsO §§ 36, 80

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

Gründe

I. Durch Urteil des AG Warendorf vom 13.5.2009 ist der Antragsteller verurteilt worden, an die Antragsgegnerin Unterhalt zu leisten. Gegen dieses Urteil haben die Beteiligten wechselseitig Rechtsmittel eingelegt. Die Antragsgegnerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil, die der Antragsteller für unzulässig hält. Er begehrt demgemäß mit seinem Antrag auf Vollstreckungsabwehr die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung. Seinen Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung sowie auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für den Vollstreckungsabwehrantrag hat das AG durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.

II.1. Soweit sich das Rechtsmittel des Antragstellers gegen die Zurückweisung des Antrags auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung richtet, ist es unzulässig. Die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung gem. §§ 767, 769 ZPO, die über § 95 Abs. 1 FamFG Anwendung finden, ist analog § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO ausgeschlossen.

2. Die sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für den Vollstreckungsabwehrantrag gem. § 767 ZPO ist gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 ZPO zulässig, jedoch in der Sache unbegründet. Dem Antrag nach § 767 ZPO fehlt die hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Entscheidung.

a) Die Antragsgegnerin ist trotz des Bezugs von Leistungen des Jobcenters sachlich befugt, Unterhaltsansprüche gegen den Antragsteller im Wege der Vollstreckung durchzusetzen. Soweit es um die Vollstreckung wegen laufender Unterhaltsansprüche geht, bedarf dies keiner besonderen Begründung. Aber auch wegen rückständigen Unterhalts besteht die Aktivlegitimation der Antragsgegnerin aufgrund der Rückabtretung des Jobcenters vom 20.9.2011. Dass diese erst im Beschwerdeverfahren vorgelegt worden ist und offensichtlich auch erst aufgrund des gerichtlichen Hinweises vom 14.9.2011 erstellt worden ist, stellt die Aktivlegitimation der Antragsgegnerin nicht in Frage. Das Gericht hat die Sach- und Rechtslage auch bei einer Verschlechterung der Erfolgsaussichten während des VKH-Verfahrens grundsätzlich nach dem letzten Erkenntnisstand zu beurteilen, der sich nach Durchführung des Beschwerdeverfahrens, in dem auch neues Vorbringen zu berücksichtigen ist, ergibt, § 571 ZPO.

b) Dem AG ist im Ergebnis auch darin Recht zu geben, dass der Einwand des Antragstellers, der Antragsgegnerin fehle wegen des anhängigen Insolvenzverfahrens die Vollstreckungsbefugnis, unerheblich ist. Durch das Insolvenzverfahren ist die Sachbefugnis der Antragsgegnerin nämlich nicht entfallen. Die Verfügungsbefugnis fehlt dem Insolvenzschuldner gem. § 80 InsO nur insoweit, als das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen betroffen ist. Nach § 36 InsO fallen Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, aber nicht in die Insolvenzmasse. Nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen die nicht pfändbaren Ansprüche. Dazu gehören nach § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO ausdrücklich Unterhaltsrenten, mithin auch der von der Antragsgegnerin geltend gemachte Anspruch auf nachehelichen Unterhalt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2994833

FamRZ 2012, 806

NZI 2012, 7

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