Leitsatz (amtlich)

Kommentiert ein Richter den Eingang einer Klageerwiderung, die außerhalb der hierfür gesetzten Frist zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung erstellt worden ist, mit den Worten "es sei schön, dass sich der Beklagtenvertreter noch am 8.5.2011, einem Sonntag und immerhin dem Jahrestag des Kriegsendes, die Mühe gemacht habe, einen Schriftsatz zu fertigen", so stellt dies eine verbale Entgleisung und grobe Unsachlichkeit dar und kann nach den Umständen des Einzelfalls die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen.

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Beschluss vom 17.06.2011)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 12.7.2011 wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des LG Hagen vom 17.6.2011 abgeändert.

Die Ablehnung des Richters am LG B durch den Beklagten wird für begründet erklärt.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von dem Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit die Zahlung von Pachtzinsen nebst Nebenkosten. Nachdem die Anspruchsbegründung dem Beklagten Ende Februar 2011 zugestellt und seitens des Gerichts ein schriftliches Vorverfahren (§ 276 ZPO) angeordnet worden war, hat der Beklagte mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 4.3.2011 seine Verteidigungsbereitschaft angezeigt und eine Klageerwiderung innerhalb der gesetzten Frist angekündigt. Richter am LG B als zuständiger Einzelrichter hat daraufhin - nach einmaliger Terminsverlegung - Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 10.5.2011 anberaumt. Tatsächlich ist die Klageerwiderung erst mit Schriftsatz vom 8.5.2011 erfolgt. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klageerwiderung als verspätet gerügt, eine gütliche Einigung der Parteien ist nicht zustande gekommen. Der persönlich anwesende Beklagte hat über seinen Prozessbevollmächtigten ein Ablehnungsgesuch gegen den Richter am LG B gestellt. Ausweislich der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters vom 24.5.2011, auf die sich der Beklagte zur Glaubhaftmachung seines Befangenheitsantrags beruft (§ 44 Abs. 2 S. 2 ZPO), ist davon auszugehen, dass der Richter in der Sitzung vom 10.5.2011 seinen Unmut über den erst kurz zuvor eingegangenen Schriftsatz "mit erhobener und lauterer Stimme" bekundet und in diesem Zusammenhang geäußert hat, "es sei schön, dass sich der Beklagtenvertreter noch am 8.5.2011, einem Sonntag und immerhin dem Jahrestag des Kriegsendes, die Mühe gemacht habe, einen Schriftsatz zu fertigen und diesen zum Gericht zu bringen". Nachdem der Beklagtenvertreter daraufhin beantragt hatte, ein Ablehnungsgesuch zu Protokoll zu nehmen, hat sich der abgelehnte Richter zunächst geweigert, das Gesuch zu protokollieren und stattdessen den Beklagtenvertreter aufgefordert, den Antrag schriftlich auszuformulieren und anschließend als Anlage zum Protokoll zu reichen. Ausgehend von seiner dienstlichen Äußerung ist der abgelehnte Richter zu diesem Zeitpunkt irrtümlich davon ausgegangen, der Antrag auf Ablehnung eines Richters müsse schriftlich eingebracht werden. Im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung hat der Richter das Ablehnungsgesuch dann doch protokolliert.

Der Beklagte stützt sein Ablehnungsgesuch auf den vorbeschriebenen Verlauf der mündlichen Verhandlung, namentlich die mit lauter Stimme vorgetragenen Unmutsäußerungen des Richters über die späte Einreichung des Schriftsatzes vom 8.5.2011 ("... immerhin dem Jahrestag des Kriegsendes ...") sowie die anfängliche Weigerung, den Befangenheitsantrag zu Protokoll zu nehmen.

Das LG hat das Ablehnungsgesuch unter Zugrundlegung der dienstlichen Äußerung vom 24.5.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten, der das LG mit Beschluss vom 12.9.2011 nicht abgeholfen hat.

II. Das nach § 46 Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 und 2 ZPO) hat in der Sache Erfolg.

Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen. Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung des Richters zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht (mehr) unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. etwa BGH NJW 2004, 164; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rz. 9). Rein subjektive unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge reichen nicht aus; auf eine tatsächliche Befangenheit oder auch die Selbsteinschätzung eines Richters kommt es allerdings nicht an (vgl. Musielak/Heinrich, ZPO, 8. Aufl., § 42 Rz. 5).

Da ein Richter zu einer objektiven und neutralen Amtsführung verpflichtet ist, kommen als Ablehnungsgründe Unsachlichkeit und unangemessenes Verhalten zu Lasten einer Partei in Betracht. Hierzu zählen unsachliche Äußerungen in der mündlichen Verhandlung, allgemein abfällige, höhnische, ironische oder kränkende Äußerungen des Richters, ...

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