Leitsatz (amtlich)

Auch wenn eine Blutentnahme ohne das Vorliegen von "Gefahr im verug" nicht von einem Richter angeordnet worden ist, entsteht kein Beweisverwertungsverbot.

 

Verfahrensgang

AG Münster (Entscheidung vom 11.08.2008)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafrichterabteilung des Amtsgerichts Münster zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Durch das angefochtene Urteil ist der Angeklagte wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe von 40Tagessätzen zu je 30,00 Euroverurteilt worden. Außerdem ist ihm die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen worden. Die Straßenverkehrsbehörde ist angewiesen worden, ihm vor Ablauf von noch fünf Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Angeklagte am 3. Januar 2008 gegen 16.50 Uhr mit einem Pkw Ford, amtliches Kennzeichen xxx unter anderem in Münster die Friedrich-Wilhelm-Weber-Straße. Bei dem Versuch, nach links in die Ferdinand-Freilingrath-Straße einzubiegen, geriet er zunächst auf den aus seiner Fahrtrichtung gesehen rechten Gehweg, lenkte sodann nach links und "fuhr auf das auf der Fahrbahn stehende Taxi des Zeugen A., das dadurch vorne links beschädigt wurde. Der Zeuge A. und der Fahrgast wurden gefährdet. Sodann fuhr der Angeklagte ein Stück weiter und gegen den mit zwei Rädern auf dem Gehweg geparkten PKW Clio der Zeugin S. Es entstand ein Schaden an der hinteren Stoßstange. Insgesamt entstand an beiden Fahrzeugen ein Fremdschaden in Höhe von insgesamt 2.280 Euro. Ein durch die herbeigerufene Polizei durchgeführter Alco-Test ergab eine BAK von 3,26 Promille, die vom Zeugen PK P. darauf hin gegen 17.25 Uhr angeordnete Blutprobe ergab für 17.32 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 3,55 Promille.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Sprungrevision. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Insbesondere meint er unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - 2 BvR 273/06 -, hinsichtlich der Blutprobe bestehe ein Beweisverwertungsverbot, weil es entgegen des Richtervorbehaltes des § 81 a StPO durch den Zeugen PK P. angeordnet worden sei.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg.

1.

Es kann dahinstehen, ob die Verfahrensrüge ordnungsgemäß im Sinne von § 344 Abs. 2 S. 2 StPO erhoben worden ist. Jedenfalls ist sie unbegründet.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 (www.bundesverfassungsgeritht.de/entscheidungen) folgendes ausgeführt:

"- Absatz 9 -

b)

Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist zu beachten, dass Amtsgericht und Oberlandesgericht die Rechtmäßigkeit der Blutentnahme nicht umfassend nachzuprüfen hatten, sondern nur insofern, als dies für die Entscheidung über das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbotes von Bedeutung war. Insofern war der gerichtliche Prüfungsmaßstab ein anderer als im Falle einer - auch nachträglich erhobenen - Beschwerde gegen den Eingriff der Blutentnahme als solchen, der auch den Hintergrund der Kammerentscheidungen vom 12.Febru~r 2007 - 2 BvR 273/06 - und 31. Oktober 2007 - 2 BvR 1346/07 - darstellte. Die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu insbesondere ein Beweisverwertungsverbot zählt-, obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten (vgl. dazu BVerfGK 4, 283 (285); BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. September 2006 - 2 BvR 2115/01u.a: -, NJW 2007, S. 499 (503 f.)). Insofern gehen die Strafgerichte in gefestigter, willkürfreier und vom Beschwerdeführer auch als solcher nicht angegriffener Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist, und dass die Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist. Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwer wiegenden Fehlers können, danach ein Verwertungsverbot nach sich ziehen (vgl. näher BGHSt 44, 243 (249); BGH, Urteil vom 18. April 2007 - 5 StR 546/07 -, NStZ 2007, S. 601 (602 f.); BGH, Beschluss vom 18. November 2003 - 1 StR 455/03 -, NStZ 2004, S. 449 (450); speziell zum Fall des Verwertungsverbots infolge Verstoßes gegen § 81 a StPO Hans. OLG Hamburg, Beschluss vom 4. Februar 2008 - 2 - 1/07 (REV) - 1 Ss 226/07 -, Rn. 26 ff. ([...]); OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. Mai 2004 - 2 Ws 77/04 -, Rn. 4 ff. ([...]); OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.' November 2007 - 1 Ss 532/07 -, NStZ 2008, s. 238 f.).

c)

Amtsgericht und Oberlandesgericht haben das Verha...

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