Entscheidungsstichwort (Thema)

Betäubungsmittel. Besitz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG liegt noch nicht vor, wenn der Täter ein Tabak-Marihuana-Gemisch in verbrauchsgerechter Menge von einem Dritten lediglich erhält, um in dessen unmittelbarer Gegenwart einen Joint zum anschließenden - ggf. gemeinsamen - Konsum zu bauen.

2. Ist den vom Tatrichter rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen entgegen der rechtlichen Würdigung des Tatgerichts kein strafbares Verhalten des Angeklagten zu entnehmen und auch nicht ersichtlich, dass ergänzende Feststellungen noch zu einer Verurteilung führen könnten, scheidet eine Zurückverweisung der Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO aus; vielmehr ist der Angeklagte aus Rechtsgründen freizusprechen (§ 354 Abs. 1 StPO).

 

Normenkette

BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3; StPO § 354 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

AG Dortmund (Aktenzeichen 720 Ds 824/16)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Dortmund hat den Angeklagten mit Urteil vom 03.02.2017 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Marihuana) zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hielt sich der Angeklagte gemeinsam mit seinem Bekannten T am 11.09.2016 vor einem Dortmunder Café auf, wo der Angeklagte damit beschäftigt war, für seinen Bekannten, der ihm zuvor Marihuana gegeben hatte, einen Joint zu drehen. Als Polizeibeamte an die beiden herantraten, warf der Angeklagte den in seiner Hand befindlichen Joint auf den Boden. Das Amtsgericht bewertete dieses Geschehen als Besitz unerlaubter Betäubungsmittel im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, da der Angeklagte durch die Entgegennahme des Marihuanas die tatsächliche Sachherrschaft daran erlangt habe. Diese sei auch nicht nur vorübergehender Natur gewesen, da die Fertigung des Joints ein paar Minuten gedauert habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich das rechtzeitig eingelegte Rechtsmittel des Angeklagten, das er zunächst als Berufung bezeichnet und nach Zustellung des Urteils innerhalb der Revisionsbegründungsfrist als Sprungrevision bezeichnet und begründet hat. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt einen Freispruch, da nach seiner Auffassung die getroffenen Feststellungen nicht die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln tragen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dortmund zurückzuverweisen. Zwar teilt sie die Auffassung, dass die Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln tragen. Ein Freispruch komme jedoch nicht in Betracht, da weitere Feststellungen zum Tatgeschehen insbesondere durch die Vernehmung des Zeugen T möglich seien.

II.

Die Revision hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einem Freispruch des Angeklagten aus Rechtsgründen (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 1 StPO).

1. Die Feststellungen des Amtsgerichts zum Sachverhalt weisen - soweit dies auf die vom Angeklagten erhobene Sachrüge zu überprüfen war - keinen Rechtsfehler auf.

2. Dieser Sachverhalt ergibt kein strafbares Verhalten des Angeklagten. Insbesondere tragen die Feststellungen nicht seine Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG. Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Zuschrift vom 24.04.2017 insbesondere Folgendes ausgeführt:

"Besitz im Sinne des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG ist die Herbeiführung oder Aufrechterhaltung eines tatsächlichen, auf nennenswerte Dauer ausgerichteten und von eigener Verfügungsmacht gekennzeichneten bewussten Herrschaftsverhältnisses über das Betäubungsmittel unabhängig von dem verfolgten Zweck (vgl. BGHSt 27, 380). Mangels Herbeiführung und Aufrechterhaltung eines solchen Herrschaftsverhältnisses liegt noch kein Besitz vor, wenn der Täter das Betäubungsmittel in verbrauchsgerechter Menge von einem Dritten zum sofortigen Verbrauch erhält und es auch sofort zu sich nimmt (zu vgl. Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Auflg., § 29 Teil 13 Rdn. 34). Maßgeblich ist, ob die verbrauchsgerechte Menge eines Betäubungsmittels zum sofortigen Verbrauch an Ort und Stelle hingegeben wird. Bei einem solchen räumlichen-zeitlichen und finalen Zusammenhang bleibt die Verfügungsmacht bei dem Übergebenden, weil dieser allein bestimmt, ob und inwieweit das Betäubungsmittel für den Genuss bereit gestellt wird oder nicht. Der Übernehmende empfängt das Betäubungsmittel nicht zur freien Verfügung, sondern zum alsbaldigen Verbrauch gleichsam unter der fortwirkenden Aufsicht des Übergebenden. Lediglich wenn zwischen der Empfangnahme und dem Verbrauch eine Zeit...

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