Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 18.01.2008; Aktenzeichen 324 O 509/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 09.02.2010; Aktenzeichen VI ZR 243/08)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg vom 18.1.2008, Az. 324 O 509/07, wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsausspruches gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 EUR und hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des LG, durch das sie dazu verurteilt worden ist, es zu unterlassen, über den Kläger im Zusammenhang mit dem Mord an W S unter voller Namensnennung zu berichten oder solche Berichte zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen sowie die in dem Tenor der angegriffenen Entscheidung konkret bezeichneten beiden Bildnisse des Klägers zu veröffentlichen oder öffentlich zugänglich zu machen.

Der Kläger ist zusammen mit seinem Bruder M L - dem Kläger des Parallelverfahrens 7 U 19/08 - im Jahr 1993 wegen Mordes an dem seinerzeit populären Schauspieler W S zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Die Tat hatte erhebliches Aufsehen erregt. Im Jahr 2004 stellte der Kläger einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, vor dessen Bescheidung er sich auch an die Presse wandte. Jahr 2005 wurde der Antrag zurückgewiesen. Im Sommer 2007 wurde der Kläger auf Bewährung aus der Strafhaft entlassen.

Die Beklagte betreibt den Internetauftritt "www.s de". Über diesen werden sog. "Dossiers" an geboten: Das sind ältere Berichterstattungen aus der Druckausgabe des Nachrichtenmagazins "D ... S", oder dem Internetauftritt dieses Magazins, die dem Nutzer auf Bestellung gegen Entgelt per E-Mail zugesandt werden. Die Beklagte bot ein solches Dossier im Internet unter dem Titel "W S Mord mit dem Hammer an", das fünf Artikel enthielt (Anlagenkonvolut K 1). In mehreren dieser Artikel war der Kläger namentlich als Mörder S bezeichnet, ein Artikel enthielt zudem zwei Bildnisse des Klägers.

Der Kläger sieht in der Verbreitung der in dem Dossier enthaltenen Beiträge, die ihn namentlich nennen oder sein Bildnis zeigen, eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Kläger hat für sein Begehren zunächst einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bei dem LG Frankfurt/M. gestellt; dieser ist mit Beschluss vom 4.6.2007 (Anlage Ag 1) wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen worden, woraufhin er die Klage vor dem LG Hamburg erhoben hat. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG hat er seine zunächst angekündigten Anträge dahingehend modifiziert, dass eine darin enthaltene Bezugnahme auf das Anlagen-konvolut K 1 entfiel.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Verbreitung des beanstandeten Dossiers zulässig sei. Der Versuch der gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs bei verschiedenen Gerichten stelle einen Rechtsmissbrauch dar.

Das LG hat die Beklagte zur Unterlassung verurteilt und zur Begründung ausgeführt, dass die Verbreitung des Namens des Klägers im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über die Tat, wegen der er verurteilt worden ist, sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletze. Angesichts der seit der Verurteilung vergangenen Zeitdauer überwiege das Interesse des Klägers daran, nicht mehr mit der Tat konfrontiert zu werden, das Interesse der Öffentlichkeit daran, über seine Beteiligung an dem Tatgeschehen unter Nennung seines Namens informiert zu werden. Der Anspruch richte sich auch auf Unterlassung der Verbreitung älterer Meldungen über das Internet, die im Zeitpunkt ihrer ersten Veröffentlichung rechtmäßig gewesen sein mögen, da einer Privilegierung älterer Meldungen ("Archivprivi-leg") die Rechtsgrundlage fehle. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie ist der Ansicht, dass angesichts der Schwere der Tat nach wie vor ein aktuelles Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestehe, der Kläger durch die bloße Perpetuierung der im Zeitpunkt der Erstveröffentlichung rechtmäßigen Verbreitung der Beiträge nicht erneut in das Licht der Öffentlichkeit gestellt werde und die Beiträge deutlich als ältere, keine aktuelle Meldung enthaltenden Beiträge erkennbar seien. Eine Verpflichtung, dauerhaft vorgehaltene Meldungen beständig darauf zu überprüfen, ob die Verbreitung ihrer Inhalte wegen Zeitablaufs rechtswidrig geworden sei, sei den Unternehmen, die Nachrichten über das Internet verbreiteten, nicht zumutbar. Die nachträgliche Löschung von Nachrichten würde zudem zu einer Verfälschung der historischen Wahrheit führen. Dadurch, dass der Kläger sich selbst an die Öffentlichkeit gewandt habe, habe er sich seines Anonymitätsschutzes begeben.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil vom 18....

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