Entscheidungsstichwort (Thema)

Praxis Aktuell

 

Leitsatz (amtlich)

1. Richtet sich ein Unterlassungsantrag im Grenzbereich wettbewerbs- und markenrechtlicher Ansprüche ausschließlich gegen ein wettbewerbswidriges Verhalten, das eine Gefahr der Fehlzuordnung mit sich bringt, so kann sich der Antrag nicht darauf beschränken, nur das Verbot der Verwendung der (verwechselbaren) Bezeichnung zu erfassen, sondern hat darüber hinaus zusätzliche Umstände zu bezeichnen, aus denen sich gerade die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens ergibt.

2. Übernimmt ein Unternehmer zur Bezeichnung einer Software zur Lohn- und Gehaltsabrechnung ("Praxis Aktuell Lohn & Gehalt"), die u.a. der Übermittlung von Daten zwischen Arbeitgebern und gesetzlichen Krankenkassen dient, den Zeitschriftentitel eines Publikationsorgans der AOK ("Praxis Aktuell"), mit der diese ihre Aufklärungspflicht als Sozialversicherungsträger gem. § 13 SGB I erfüllt, so haben die angesprochenen Verkehrskreise Anlass zu der Annahme, diese Software sei von der AOK autorisiert bzw. besitze eine (besondere) aufgabenbezogene Qualifizierung. Hierdurch macht sich der Verwender das besondere Vertrauen zunutze, das der AOK als (quasi)öffentlicher Institution entgegen gebracht wird.

3. Ein derartiges Verhalten ist irreführend und damit wettbewerbswidrig, wenn in Bezug auf die Software tatsächlich keine geschäftlichen Beziehungen bestehen, die AOK an dem Softwareprodukt weder beteiligt ist noch dieses fördert. Die Tatsache, dass der Unternehmer bei der fachlichen Konzeption und Erstellung des Printmediums "Praxis Aktuell" für die AOK maßgeblich beteiligt ist, vermag an der Wettbewerbswidrigkeit der Produktbezeichnung für die Software nichts zu ändern.

 

Normenkette

UWG § 5 Abs. 1, 2 Nr. 3; MarkenG § 14 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 12.12.2006; Aktenzeichen 407 O 118/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 10.06.2010; Aktenzeichen I ZR 42/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Kammer 7 für Handelssachen, vom 12.12.2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115.000 EUR abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin vertreibt kaufmännische Software, u.a. Programme zur Finanzbuchhaltung sowie zur Lohn- und Gehaltsabrechnung (Anlage K1). Die Beklagte ist ein Fachverlag für Sozialversicherungsrecht. Sie gibt u.a. in Kooperation mit der AOK das Arbeitgeber-Informationsystem "Praxis Aktuell" in gedruckter Form heraus (Anlage K3 und B3) und gestaltet für die AOK einen entsprechenden Internet-Auftritt (Anlage K4). Die Beklagte ist im Impressum insoweit als Mitherausgeber, Verlag und Produzent der Zeitschrift "Praxis Aktuell" genannt (Anlage K3). Die Beklagte ist Inhaberin von verschiedenen nationaler Marken, die den Begriff "Praxis Aktuell" enthalten (Anlagen K5 und K6).

Im Sommer 2005 brachte die Beklagte ein Softwareprogramm unter der Bezeichnung "Praxis Aktuell Lohn und Gehalt" auf den Markt, das u.a. der Übermittlung der Meldungen und Beitragsnachweise durch die Arbeitgeber an die Sozialversicherungsträger dient.

Die Klägerin beanstandete sowohl die Namensgebung des Programms als auch die konkrete Art der Bewerbung auf der Internetseite der AOK als wettbewerbswidrig und mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 6.7.2005 insoweit ab (Anlage K10). Zu der Bewerbung des Produkts gab die Beklagte eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab (Anlage K11). Ihren Unterlassungsanspruch wegen der Bezeichnung des Programms, den die Klägerin im Hinblick auf die Übernahme des Titels der Zeitschrift der AOK als irreführend beanstandet, verfolgt die Klägerin im Prozesswege weiter. Sie ist der Auffassung, die Beklagte lehne sich insoweit unzulässig an die Bezeichnung einer öffentlich-rechtlichen Institution an und nehme deren Autorität für ihren Produktabsatz zu Unrecht in Anspruch.

Die Klägerin hatte die Beklagte bereits im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem LG Hamburg in dem Rechtsstreit 407 O 242/05 auf Unterlassung in Anspruch genommen. Gegen die antragsgemäß erlassene einstweilige Verfügung des LG Hamburg vom 29.7.2005 (Anlage K12) hatte die dortige Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt. Dieser ist nach wie vor bei dem LG Hamburg anhängig. Das Verfahren soll bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens nicht weiter betrieben werden. Eine außergerichtliche Streitbeilegung hat sich zwischen den Parteien nicht herstellen lassen.

Die Klägerin hat im Rahmen des vorliegenden Hauptsacheverfahrens in erster Instanz beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen,

eine kaufmännische Software, die d...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge