Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 03.06.1965; Aktenzeichen (42) 175/62)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das angefochtene Urteil, sofern das Landgericht die Prüfung des Angeklagten verworfen hat, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen fortgesetzter Einkommensteuerhinterziehung zu 3.000,- DM Geldstrafe, ersatzweise zu 30 Tagen Gefängnis, verurteilt. Das Landgericht hat die Berufung der Nebenklägerin, der Gemeinsamen Strafsachenstelle der Finanzämter in Hamburg, und des Angeklagten verworfen, diesem jedoch gestattet, die Geldstrafe in monatlichen Raten von 250,- DM zu zahlen. Nach den Feststellungen des Landgerichts gab der Angeklagte seine Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1948/1949 und 1953 nicht und für die übrigen Jahre 1950 bis 1963 so Seite 9 des Urt.; nach Seite 7 nur bis 1961 nicht rechtzeitig ab. Seine vierteljährlich geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen überschritten nur in den Jahren 1961 und 1962 die später festgesetzten Einkommensteuerbeträge, im Übrigen lagen sie darunter.

II.

Die nach den §§ 333, 341 ff StPO zulässige Revision des Angeklagten macht die Verletzung formellen und materiellen Rechtes geltend.

Die Rüge, das Landgericht habe zu Unrecht den Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung abgelehnt, führt zur Aufhebung des Urteils (1). Gleichwohl war zu prüfen, ob der Angeklagte nach § 354 I StPO aus sachlich-rechtlichen Gründen freizusprechen ist (BGH St 17/253 = NJW 62/1452); das war jedoch zu verneinen (2): Die bisherigen Feststellungen des Landgerichts zum objektiven Sachverhalt würden - entgegen der Ansicht der Revision - den äußeren Tatbestand des § 396 Abgabenordnung (AO) erfüllen (2a). Die Ausführungen zum subjektiven Tatbestand sind nicht rechtsfehlerfrei; es ist jedoch nicht auszuschließen, dass der Angeklagte auf Grund weiterer tatsächlicher Erörterungen verurteilt werden wird (2b).

1.

Der Revisionsführer beanstandet, das Landgericht habe einen Antrag der Verteidigerin auf Vertagung der Hauptverhandlung (§ 228 StPO) zu Unrecht abgelehnt und ihn dadurch in seiner Verteidigung unzulässig beschränkt (§ 338 Ziff. 8 StPO). Die Aussetzung der Hauptverhandlung sei notwendig gewesen, weil die Verteidigerin keine ausreichende Gelegenheit gehabt habe, die umfangreichen Akten des Finanzamtes, die als Beiakten hinzugezogen gewesen seien, vor der Hauptverhandlung gründlich kennenzulernen. Die Verteidigerin habe die Akten zunächst im April 1964 für vier Tage zur Verfügung gehabt, jedoch erst auf ihren zweiten Antrag kurzfristig vor einer länger geplanten Reise erhalten und deshalb damals nicht gründlich lesen können. Sie habe dann gebeten, ihr die Gerichtsakten und Beiakten nach Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung noch einmal zu überlassen, um den Akteninhalt nach Durchsicht zum Termin in Erinnerung zu haben, und sie habe diese Bitte vom 3. Februar 1965 am 25. Mai 1965 wiederholt. Darauf seien ihr die Hauptakten, nicht aber die Beiakten übergeben worden. Diese habe sie erst auf ihre erneute Bitte am 31. Mai 1965 nach unmittelbar voraufgegangenem Angebot erhalten und bereits am nächsten Morgen zurückgeben müssen. Ihre Bitte um längere Überlassung - weil sie nach ihrem Arbeitspensum erst etwa um 21.00 Uhr zum Aktenstudium kommen würde - sei abgelehnt worden. Diesen Sachverhalt habe sie mit Schriftsatz vom 2. Juni 1965 dem Landgericht dargelegt und um Vertagung gebeten. Den in der Hauptverhandlung vom 3. Juni 1965 wiederholten Antrag habe das Landgericht abgelehnt.

Diese Rüge genügt den Anforderungen des § 344 II Satz 2 StPO. Sie gibt sinngemäß den Inhalt des gestellten Antrages, den Wortlaut des abgelehnten Beschlusses und die Tatsachen wieder, aus denen sich die angeblich unzureichende Gelegenheit zur Akteneinsicht und damit die Notwendigkeit ergeben soll, dass dem Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung stattzugeben gewesen wäre. Die Richtigkeit der angegebenen Tatsachen ergibt sich aus Bl. 119, 125, 150, 170, 172, 174-176, 194 und 198 d.A.

Die Rüge ist begründet. Mit der Ablehnung des Aussetzungsantrages hat das Landgericht zwar nicht gegen § 228 I StPO verstoßen, wie der Revisionsführer meint, aber es hat § 265 IV StPO verletzt und damit die Verteidigung des Angeklagten in einem wesentlichen Punkte in unzulässiger Weise beschränkt (§ 338 Ziff. 8 StPO):

Nach § 265 IV StPO hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Verteidigung angemessen erscheint. Ob der Tatrichter diese Pflicht möglicherweise verletzt hat, prüft das Revisionsgericht (RGSt 65/246 f, 57/147).

Eine veränderte Sachlage, die eine Aussetzung erforderlich macht, kann durch das Hervortreten neuer Tat umstände, aber auch durch Verfahrens mäßige Vorgänge und Lagen entstehen (BGH NJW 58/1736 f =...

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