Leitsatz (amtlich)

Wird ein Arzneimittel mit markenrechtlich geschützter Bezeichnung aus der EU parallelimportiert und unter dieser Marke umgepackt im Inland vertrieben, so ist das Markenrecht (i.S.d. EuGH-Rspr.) nicht erschöpft und wird demgemäß verletzt, wenn der Markeninhaber nicht vorab unterrichtet und ihm auf Verlangen kein Muster geliefert wird.

a) Allein die fehlende Vorabinformation begründet keine Begehungsgefahr: Wird das Arzneimittel vom Parallelimporteur nicht angeboten und erscheint es in dem Datenverzeichnis eines Drittunternehmens mit dem Zusatz: „Außer Vertrieb”, so fehlt es bereits an einem markenrechtlichen Verletzungstatbestand (des Anbietens oder Feilhaltens) und auch an der Begehungsgefahr.

b) Die Musterübersendung hat – anders als die Vertriebsanzeige – nicht „vorab”, sondern unverzüglich auf Verlangen zu erfolgen. Allein aus einer (unterstellt) fehlenden Vorabinformation lässt sich nicht die Begehungsgefahr dafür herleiten, es werde auf Verlangen keine Musterübersendung erfolgen.

 

Normenkette

MarkenG §§ 14, 24; MarkenRL Art. 7

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 315 O 142/02)

 

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 29.5.2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der in der Berufungsverhandlung gestellte Antrag, die Beschlussverfügung mit der aus diesem Antrag ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen, zurückgewiesen wird.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

und beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 300.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin – ein forschendes Arzneimittelunternehmen in Deutschland – vertreibt in Deutschland u.a. das Arzneimittel D…, sie genießt in Deutschland an der Bezeichnung „D-…” unstreitig Markenrechtsschutz.

Die Antragsgegner – der Antragsgegner zu 2) ist der Vorstandsvorsitzende der Antragsgegnerin zu 1) – befassen sich mit dem Parallelimport von Arzneimitteln; vgl. für die Antragsgegnerin zu 1): Anlage AG EVB 1.

Im Oktober 2000 hatten die Antragsgegner der Antragstellerin Musterpackungen des von ihnen parallelimportierten Arzneimittels D-… übermittelt, mit Schreiben vom 11.5.2001 hat die Antragsgegnerin zu 1) der Antragstellerin mitgeteilt, die „Vertriebsanzeige” werde „hiermit zurückgezogen” (Anlage ASt 1).

Nunmehr hat die Antragstellerin unter Hinweis auf eine Eintragung in der Datenbank „IfAp-Index” (Anlage ASt2, Stand: 15.2.2002) behauptet, die Antragsgegner würden das Arzneimittel D-… parallelimportieren und umgepackt in Deutschland anbieten, ohne sie zuvor zu unterrichten und auf Verlangen Muster zu übersenden (vgl. hierzu die Abmahnung vom 13.3.2002: Anlage ASt3; wegen der Antwort vgl. Anlage ASt4).

Die Antragstellerin beanstandet das als Markenrechtsverletzung und nimmt deswegen die Antragsgegner im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.

Die Datenbank „IfAp-Index” der IFA-GmbH, Frankfurt (vgl. Anlage AG EVB 3), wird von Ärzten für ihre Verordnungsdaten und für die Erstellung von Rezepten genutzt. Der das Arzneimittel D-… betreffende Eintrag lautet u.a. (Anlage ASt2, S. 3):

D-… IN 100 ML RaV n. A-… Pharm 1 % I b.

D-… IN 5 × 20 RaV n. A-… Pharm 1 % I ML b.

Mit dem Urteil vom 29.5.2002 hat das LG seine Beschlussverfügung vom 15.3.2002, mit der antragsgemäß den Antragsgegnern unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden ist, D-… aus einem Mitgliedstaat der EU oder aus einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum importiert worden sind, in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder anbieten zu lassen oder feilzuhalten oder feilhalten zu lassen, insb. durch Veröffentlichung im IfAp-Index, für die die Antragstellerin im Inland Markenschutz genießt, ohne vorab die Antragstellerin von dem geplanten Feilhalten der Arzneimittel zu unterrichten und ihr auf Verlangen Muster zu übermitteln; aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

In der Beschlussverfügung des LG ist die Antragsgegnerin zu 1) in wörtlicher Übereinstimmung mit dem Rubrum in der Antragsschrift als „A. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer M.” bezeichnet worden. Bei dieser Parteibezeichnung ist es im Urteil des LG geblieben, obwohl die Antragstellerin bereits mit Schriftsatz vom 23.4.2002 im Widerspruchsverfahren die Berichtigung des Passivrubrums – entspr. dem des Senatsurteils – beantragt hatte.

Gegen das Urteil des LG richtet sich die Berufung der Antragstellerin, sie verfolgt ihren erstinstanzlichen Verfügungsantrag gemäß der Beschlussverfügung mit der Maßgabe weiter, dass den Antragsgegnern unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten wird, das Arzneimittel D-…, das aus einem Mitgliedstaat der EU oder aus einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum importiert worden ist, in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder anbieten zu lassen oder feilzuhalten oder feilhalten zu lassen, insb. durch Veröffen...

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