Leitsatz (amtlich)

Die Kosten für Ablichtungen von Unterlagen, die als Belege für die Klageansprüche im Urkundenprozess zur Unterrichtung des Prozessgegners dienen und deren Umfang mehr als 100 Seiten ausmacht, können einschließlich der ersten 100 Ablichtungen nach den in RVG-VV Nr. 7000, Nr. 1, genannten Pauschalen abgerechnet werden.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 18.05.2006; Aktenzeichen 413 O 23/05)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hamburg, Kammer 13 für Handelssachen, vom 18.5.2006 insoweit aufgehoben, als er die Erstattung von Kopiekosten ablehnt. Insoweit wird die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - unter Berücksichtigung der nachfolgenden Gründe an das LG zurückverwiesen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist als solche statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO).

Sie erweist sich auch als begründet. Auf den Anspruch der Klägerin hinsichtlich der Erstattung ihrer Kopiekosten sind die Vorschriften des RVG anzuwenden (§§ 60 f RVG). Damit sind die Regeln der §§ 25, 27 BRAGO außer Betracht zu lassen. Die Rechtsprechung des Senats, nach welcher die Kopiekosten in der Regel durch die allgemeine Prozessgebühr als abgegolten anzusehen waren (z.B. OLG Hamburg JurBüro 1988, 731 f.), kann in diesem Zusammenhang nicht mehr herangezogen werden. Dasselbe gilt für die Entscheidungen des BGH aus jüngerer Zeit, soweit sie aufgrund der Übergangsvorschriften ausdrücklich noch auf die Erstattungsvorschriften des § 27 BRAGO abstellen (vgl. insb. BGH v. 5.12.2002 - I ZB 25/02, MDR 2003, 476 = BGHReport 2003, 358 = NJW 2003, 1127 ff., sowie BGH v. 10.3.2005 - VII ZB 32/04, MDR 2005, 957 = BGHReport 2005, 1016 = MDR 2005, 957 f.).

Die Erstattungsforderung der Klägerin bemisst sich ausschließlich nach RVG-VV Nr. 7000. Die dort aufgestellten Regelungen sind abschließend (vgl. Hartung/Römermann, RVG-VV, 2004, Nr. 7000 Rz. 21). Für den konkreten Anspruch der Klägerin kommt von vornherein nur ein Anspruch nach Nr. 1b in Betracht. Die sonstigen Fallgruppen treffen, worüber zwischen den Parteien auch kein Streit besteht, hier nicht zu.

RVG-VV Nr. 7000 - und hier insb. Nr. 1b - enthält einen gänzlich anderen Anknüpfungspunkt für die Kostenerstattungsverpflichtung als der alte § 27 Abs. 1 BRAGO. Die in der Neuregelung vielfach enthaltene Besserstellung des Erstattungsberechtigten ist beabsichtigt (vgl. Motive, zitiert nach Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller/Rabe, RVG-VV, 17. Aufl., 7000, Rz. 40).

Die Klägerin hat mehr als 100 Ablichtungen erstellt; diese Ablichtungen waren zur Unterrichtung der Prozessbeteiligten über die von der Klägerin zur Gerichtsakte gereichten Anlagen 2 ff. und 6 der Klage bestimmt. Zu dieser Unterrichtung war die Klägerin durch Rechtsvorschriften gehalten (§§ 133 ff., 253 Abs. 5 ZPO). Dass die vorsorgliche Einreichung der vollständigen Unterlagen als Belege für die Klagansprüche missbräuchlich gewesen sei, wird man schon angesichts der Tatsache, dass es sich um einen Urkundenprozess handelte, nicht vertreten können. Im Übrigen ist hier ein großzügiger Beurteilungsspielraum zugunsten des Prozessbevollmächtigten anzulegen (vgl. im Einzelnen Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller/Rabe, RVG-VV, 17. Aufl., 7000 Rz. 52 f.; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., RVG-VV Nr. 7000, Rz. 25).

Der Senat kann den Erstattungsanspruch indessen der Höhe nach nicht eindeutig ermitteln, weshalb die Sache an die Rechtspflegerin zurückgegeben wird. Es ist zutreffend, dass die Beklagte die von der Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift vorgetragenen Ablichtungszahlen nicht mehr substantiiert bestritten hat. Die Klägerin hat jedoch schon in ihrem Schriftsatz vom 28.3.2006 mitgeteilt, dass sich unter den Ablichtungen auch die für das Gericht bestimmten Exemplare befänden. Diese Ablichtungen sind nicht erstattungsfähig (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller/Rabe, RVG-VV, 17. Aufl., 7000, Rz. 44).

Im Übrigen wird bei der Abrechnung zu beachten sein, dass bei Überschreiten der Grenze von 100 Ablichtungen nicht etwa nur die über eine Stückzahl von 100 hinausgehenden Ablichtungen, sondern alle (einschließlich der ersten 100) Ablichtungen einheitlich mit den für RVG-VV 7000 Nr. 1a bis 1d vorgesehenen Erstattungsbeträgen abzurechnen sind (vgl. z.B. Hartung/Römermann, RVG-VV, 2004, 7000 Rz. 31; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., RVG-VV 7000 Rz. 25; a.A. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller/Rabe, RVG-VV, 17. Aufl., 7000 Rz. 62).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1560754

MDR 2007, 244

RVGreport 2007, 36

OLGR-Nord 2006, 730

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