Normenkette

StGB § 25 Abs. 2, § 220a Abs. 1 Nr. 1; StGB a.F. § 220a Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

Der Angeklagte wird wegen

Völkermordes

zu

lebenslanger Freiheitsstrafe

verurteilt.

Die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten wird festgestellt.

Es wird festgestellt, dass 1 Jahr dieser Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens, die Kosten der Revisionen des Generalbundesanwalts und der Nebenkläger Zeugin 34, Zeuge 88 und Zeugin 35 sowie seine notwendigen Auslagen zu tragen. Im Übrigen hat er darüber hinaus die den Nebenklägern erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

 

Gründe

Vorbemerkung:

Die in dem zentralafrikanischen Land Ruanda lebende Bevölkerung wurde seit frühester Zeit in die durch ihr Volkstum bestimmten Gruppen der Hutu, der Tutsi und der Twa eingeteilt. Es gab vielfach ethnisch motivierte Gewalttaten. Der Angeklagte, der der Volksgruppe der Hutu angehört, war seit 1988 Bürgermeister der ca. 65.000 Einwohner zählenden, im Norden Ruandas gelgenen Gemeinde Muvumba. Nachdem am 1. Oktober 1990 die Front Patriotique Rwandais (FPR), der mehrheitlich Tutsi angehörten, von Uganda aus Ruanda angegriffen hatte, flohen die Bürger Muvumbas in Richtung Süden. 1993 erreichten sie die Gemeinde Murambi, wo sie unter der Verwaltung des Angeklagten in drei Flüchtlingslagern lebten. In dieser Zeit wurde in Ruanda eine Propaganda betrieben, der zufolge die Angehörigen der durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe der Tutsi "Komplizen" der FPR und deshalb Staatsfeinde waren, die sowohl körperlich als auch als soziale Gruppe vernichtet werden müssen. Es hatten sich die extremistischen Interahamwe-Milizen gebildet, die Tutsi angriffen und verfolgten.

Als am Abend des 6. April 1994 das Flugzeug des ruandischen Präsidenten Habyarimana beim Landeanflug auf den Flughafen von Kigali abgeschossen wurde, begann der ruandische Genozid, bei dem Angehörige der Bevölkerungsmehrheit der Hutu in der Zeit vom 6. April 1994 bis zum 18. Juli 1994 zwischen 500.000 und 1.000.000 Menschen töteten, die zum allergrößten Teil der durch ihr Volkstum bestimmten Gruppe der Tutsi angehörten. Ein kleiner Teil der Getöteten waren sogenannte "gemäßigte" Hutu, die in Opposition zur Regierung standen oder sich dem Töten widersetzten. Im Zuge dieser Geschehnisse fand auch das sogenannte "Kirchenmassaker von Kiziguro" statt. Mindestens 450 Menschen, von denen die allermeisten den Tutsi angehörten, hatten vor den Gewalttaten auf dem Gelände der Kirche des in der Gemeinde Murambi gelegenen Ortes Kiziguro Schutz gesucht, das am 11. April 1994 von Soldaten, Gendarmen, Gemeindepolizisten sowie Bürgern Murambis und Muvumbas und Angehörigen der Interahamwe-Milizen angegriffen wurde. Dieser Angriff wurde vom ehemaligen Bürgermeister der Gemeinde Murambi Jean-Baptiste G. und anderen Autoritätspersonen befehligt, zu denen auch der Angeklagte zählte. Der Angeklagte erschien zu Beginn des Massakers am Kirchengelände, stand neben G., als dieser den Befehl gab, mit dem Töten zu beginnen, und rief den Angreifern sodann selbst Aufforderungen wie "Helft!", "Helft mal!", "Arbeitet" und "Fangt mit Eurer Arbeit an!" zu. Die Angreifer töteten mindestens 400 der auf dem Kirchengelände befindlichen Menschen überwiegend mit Macheten, Lanzen, Knüppeln, Äxten, Beilen und Hacken zumeist auf sehr qualvolle Weise. Viele der Getöteten und einige noch Lebende warfen die Angreifer in eine Grube; sie vergewaltigten Tutsi-Frauen und -Mädchen. Während des Massakers erkundigte sich der Angeklagte bei den Angreifern nach dem Stand der Tötungen, brachte mit seinem Fahrzeug weitere bewaffnete Angreifer zum Kirchengelände, die sich an den Tötungen beteiligten, forderte sodann die Angreifer auf, weiter zu töten, die Leichen zur Grube zu transportieren und sich dabei zu beeilen. Die das Kirchengelände umstellenden Angreifer wies er an aufzupassen, dass niemand entkomme.

Nach Beschränkung der Strafverfolgung gemäß den §§ 154, 154a StPO hatte der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im ersten Rechtsgang den Angeklagten der Beihilfe zum Völkermord schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt.

Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof auf die Revisionen des Generalbundesanwalts und der Nebenkläger Zeugin 34, Zeuge 88 und Zeugin 35 unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufgehoben und im Umfang der Aufhebung die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den erkennenden Senat zurückverwiesen.

Dieser hat den Angeklagten des Völkermordes in Mittäterschaft schuldig gesprochen und die besondere Schwere der Schuld festgestellt.

Eine Verständigung nach § 257c StPO hat nicht stattgefunden.

I. Feststellungen

1

A. Feststellungen zur Person des Angeklagten

1

B. Feststellungen zum Tatgeschehen

9

1. Der geschichtliche Hintergrund der zur Verurteilung gelangten Tat

9

a) Die geographischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Ruandas

9

b) Die Unterscheidung der Bevölkerung in Hutu, Tutsi und Twa

9

c) Die Entwicklung und ...

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