Entscheidungsstichwort (Thema)

Unlautere Bereitstellung der App "mytaxi" für die Beförderung von Kunden in Taxis unter Verstoß gegen § 47 Abs. 2 Satz 1 PBefG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Betreiben einer Anwendungssoftware für mobile Endgeräte, die eine direkte Verbindung zwischen einem nahe gelegenen Taxifahrer und einem Fahrgast herstellt und so Beförderungen von Kunden in Taxis ermöglicht, ist unlauter, wenn sie nicht verhindert, dass Beförderungen auch an ortsfremde, nicht konzessionierte Taxifahrer vermittelt werden, die sich unter Verstoß gegen § 47 Abs. 2 Satz 1 PBefG bereithalten.

2. Zwischen dem App-Betreiber und den örtlichen Taxiunternehmen besteht ein unmittelbares konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG.

3. Die Verantwortlichkeit des App-Betreibers ergibt sich nicht aus einem eigenen Verstoß gegen eine wettbewerbliche Verkehrspflicht im Sinne von § 3 UWG, weil dieser - als Vermittler - nicht Adressat des § 47 Abs. 2 Satz 1 PBefG ist.

4. Der App-Betreiber ist jedoch Teilnehmer eines von einem nicht konzessionierten Taxiunternehmer begangenen Verstoßes nach § 47 Abs. 2 Satz 1 UWG, wenn die Fahrt durch die App vermittelt wurde.

5. Der App-Betreiber fördert zumindest bedingt vorsätzlich Wettbewerbsverstöße durch nicht konzessionierte Taxifahrer, wenn er jedenfalls mit der Möglichkeit eines Verstoßes gegen § 47 Abs. 2 PBefG rechnet. Dies kann dann der Fall sein, wenn ihm vor der Abmahnung bereits andere Verstöße bekannt waren.

 

Normenkette

PBefG § 47; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 3a

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 20.02.2019; Aktenzeichen 3-8 O 117/18)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 20.2.2019 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über einen Verstoß gegen beförderungsrechtliche Vorschriften.

Die Beklagte vermittelt unter der Bezeichnung "mytaxi" die Beförderung von Kunden in Taxis. Dies geschieht über die "mytaxi-app", eine Anwendungssoftware für mobile Endgeräte. Die App wird in einer Version für Taxifahrer und in einer Version für Kunden bereitgestellt. Sie stellt eine direkte Verbindung zwischen einem Taxifahrer und einem Fahrgast her. Der Nutzer der Fahrgast-App kann sich auf einer eingeblendeten Karte anzeigen lassen, wo sich in der Umgebung angeschlossene Taxi befinden. Nach Betätigung des Bestellbuttons sucht das System die am nächsten gelegenen Taxis, die über ihre App den Modus "frei" angegeben haben, und bietet den Fahrern dieser Gruppe - automatisiert - die angefragte Taxifahrt an. Die Fahrer können über ihre Fahrer-App die angefragte Tour annehmen. Der Fahrer, der die Fahrt zuerst annimmt, erhält den Zuschlag.

Für den Fahrgast ist die Benutzung der App kostenlos. Das Taxiunternehmen zahlt eine Vermittlungsgebühr in Gestalt eines festen Prozentsatzes vom Fahrpreis. Die Beklagte bietet den Kunden über die App - optional - auch die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs an. Kunden, die über die App bezahlen, erhalten eine Quittung, die als "Rechnungssteller" das Taxiunternehmen und als Aussteller der Rechnung die Beklagte ausweist (Bl. 94 d. A.).

Am XX.XX.2018 gegen 9.45 Uhr stellte sich ein Taxi, dessen Betriebssitz in Stadt1 liegt, in Stadt2 in der Nähe des in der Straße1 gelegenen A-Hotels auf und schaltete den Modus seiner "mytaxi-app" auf "frei". Der Kunde B, der sich in der Straße1 befand, bestellte über die App ein Taxi. Der Fahrer des Stadt1er Taxis nahm die Bestellung an und beförderte den Kunden in die Straße2.

Der Kläger ist Taxiunternehmer Stadt2. Er ist der Auffassung, die Beklagte sei für den Verstoß des Fahrers des Stadt1er Taxis gegen § 47 Abs. 2 S. 1 PBefG als Täterin oder jedenfalls als Gehilfin verantwortlich. Sie müsse technische Vorkehrungen treffen, um die Annahme von Fahraufträgen durch Fahrer nicht in Stadt2 konzessionierter Unternehmen zu unterbinden.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie hafte für Verstöße der Taxifahrer gegen beförderungsrechtliche Vorschriften, deren Adressatin sie nicht sei, weder als Täterin noch als Teilnehmerin. Der Beförderungsvertrag komme ausschließlich zwischen dem Taxiunternehmen und dem Fahrgast zu Stande. Durch ihre AGB beuge sie möglichen Verstößen hinreichend vor. Sie hat behauptet, ihr seien vor dem streitgegenständlichen Vorfall keine vergleichbaren Verstöße in Stadt2 bekannt geworden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs eine Taxisuchanfrage eines Taxikunden in der Stadt2 über die Smartphone-Applikation MyTaxi zwecks Abschlusses eines Beförderungs...

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