Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Wirkung eines behördlich angeordneten Veräußerungs- und Zahlungsverbotes nach § 46 a I 1 Nr. 1 KWG a.F.. Wirkung eines behördlich angeordneten Veräußerungs- und Zahlungsverbotes nach § 46 a I 1 Nr. 1 KWG a.F.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein behördlich angeordnetes Veräußerungs- und Zahlungsverbot gemäß § 46 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KWG a.F. entfaltet die Wirkung einer Stundung mit der Folge, dass das Kreditinstitut sich weder in Verzug befindet, noch schuldhaft handelt.

 

Normenkette

KWG § 46a Abs. 1 S. 1 Nr. 1; InsO § 180 Abs. 1, §§ 38, 179; BGB §§ 700, 488, 275, 280; GG Art. 14; KWG § 47; GG Art. 80; BGB §§ 284, 286 Abs. 2 Nr. 1, §§ 288, 280 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.08.2011; Aktenzeichen 2-25 O 109/11)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.03.2013; Aktenzeichen XI ZR 227/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 05.08.2011, Az.: 2-25 O 109/11, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Lehman Brothers Bankhaus AG in Frankfurt am Main die Anmeldung von Verzugszinsforderungen zur Insolvenztabelle. Sie hatte bei der Insolvenzschuldnerin Termingeldeinlagen getätigt, die zum 15.09.2008, 25.09.2008 und 26.09.2008 fällig, aber aufgrund des von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (im Folgenden: BaFin) am 15.09.2008 verhängtem Veräußerungs- und Zahlungsverbots gemäß § 46 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KWG a.F. nicht ausgezahlt wurden. Hinsichtlich der angelegten Beträge inklusive der vereinbarten Zinsen ist die Klägerin im Rahmen des gesetzlichen bzw. vertraglichen Systems der Einlagensicherung entschädigt worden.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Dazu hat es ausgeführt, die Klage sei zulässig gem. § 180 Abs. 1 InsO. Die Klägerin habe gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Feststellung ihrer Zinsforderungen für die Zeit ab 15.09., 25.09. bzw. 26.09.2008 zur Insolvenztabelle gem. §§ 38, 179 InsO. Die Schuldnerin habe sich zwar nach Ablauf der vertraglichen Laufzeit der Anlagen für die Dauer des Zahlungsverbotes nicht in Verzug befunden, weil ihr die Zahlung während des Zahlungsverbotes aus rechtlichen Gründen vorübergehend nicht möglich gewesen sei. Sie sei aber zur Zahlung von Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes als Schadensersatz gem. §§ 700, 488, 275, 280 BGB verpflichtet. Das von der BaFin verhängte Zahlungsverbot habe nicht zu einer Stundung der Forderung, sondern dazu geführt, dass der Gemeinschuldnerin die Leistung vorübergehend unmöglich gewesen sei. Das Zahlungsverbot habe zur Folge, dass der Schuldner die geschuldeten Zahlungen nicht mehr leisten dürfe, ihm die Leistung also aus rechtlichen Gründen unmöglich werde. Diese Wirkung trete durch einen hoheitlichen Akt unabhängig von dem Willen oder der Zustimmung des Gläubigers ein, der in die Entscheidung über die Verhängung des Zahlungsverbotes nicht einbezogen sei. Dagegen komme eine Stundung nur im Einverständnis des Gläubigers zustande, so dass ihm aus der Verschiebung der Fälligkeit kein Schaden entstehe. Umgekehrt bleibe es dem Schuldner einer gestundeten Leistung in der Regel unbenommen, die Leistung auch schon früher zu erbringen. Das Zahlungsverbot führe damit zu einer anderen Rechtslage als eine Stundungsvereinbarung und stelle einen wesentlich schwerwiegenderen Eingriff in die Rechte des Gläubigers und des Schuldners dar. Aus diesem Grund und im Hinblick auf die Schutzwirkung von Art. 14 GG sei es ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht gerechtfertigt, den Gläubiger zivilrechtlich so zu stellen, als habe er die Zustimmung zu einer Stundung erteilt. Ihm müssten mangels abweichender Regelungen die Rechte verbleiben, die das Gesetz bei einer Nichtleistung des Schuldners vorsehe.

Auch der Schutzzweck des § 46 a KWG a.F. gebiete es nicht, dem Gläubiger diese Rechte zu versagen. Zudem zeige der Vergleich zu § 47 KWG, dass das Zahlungsverbot nicht ohne weiteres zu einer Stundung der Forderung führe. Der Umstand, dass dort die Notwendigkeit der ausdrücklichen Regelung der zivilrechtlichen Folgen bei der Verhängung von Zahlungsverboten durch die Bundesregierung anerkannt sei, spreche dafür, dass das Zahlungsverbot nach § 46 a KWG a.F. nicht per se die zivilrechtlichen Konsequenzen der Nichtleistung entfallen ließe.

Die Gemeinschuldnerin sei daher der Klägerin gemäß §§ 275, 280 BGB zum...

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