Leitsatz (amtlich)

1. Der Gesellschafter einer Bau-ARGE, der an diese entsprechend seiner gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung in der Zeit zwischen Beantragung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter Leistungen erbringt (hier: fortgesetzte Bereitstellung von Personal, Geräten, Baumaterial), erbringt damit Beiträge oder beitragsähnliche Leistungen. Die hierauf beruhenden Vergütungsansprüche sind grundsätzlich in der Auseinandersetzungsbilanz zu berücksichtigen und nicht gesondert gelten zu machen.

2. Abweichendes gilt, wenn der andere ARGE-Gesellschafter die Verrechnungslage in nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbarer Weise herbeigeführt hat.

 

Normenkette

InsO §§ 84, 130

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.01.2005; Aktenzeichen 2-27 O 190/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 7.1.2005 verkündete Urteil der 27. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A AG (nachfolgend: Schuldnerin). Er fordert die Vergütung von Leistungen, die die Schuldnerin in der Zeit zwischen ihrem Insolvenzantrag vom ... 3.2002 und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.6.2002 noch für die B "..." erbrachte. (Eine Rechnung zu im Juni 2002 - also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens - erbrachten Leistungen hat die Beklagte ausgeglichen; insoweit hat der Kläger die Klage zurückgenommen [Bl. 5, 103, 128, 153d.A.].)

Die Schuldnerin und die Beklagte schlossen am 15.5.1995 einen B-Vertrag (Anl. K 2, Bl. 9 ff. d.A.) auf der Grundlage eines in der Bauindustrie gebräuchlichen Musters. Nach § 23.62, 23.77 des Vertrags sollte ein Gesellschafter am Tage der Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen aus der Gesellschaft ausscheiden. Der verbleibende Gesellschafter sollte die Anteile des ausscheidenden übernehmen und die Geschäfte der B zu Ende führen (§ 24.1), eine Auseinandersetzungsbilanz sollte erstellt werden (§ 24.2). Der ausgeschiedene Gesellschafter war nach § 24.9 verpflichtet, der B Personal, Geräte und Stoffe zu den bisher geltenden Preisen weiter zu überlassen. Eben dies geschah in der Zeit zwischen dem von der Schuldnerin am 3.2002 eingereichten Insolvenzantrag, von dem die Beklagte wusste, und der Verfahrenseröffnung. Die Beklagte stellte die der Höhe nach unstreitigen Forderungen der Schuldnerin in die Auseinandersetzungsbilanz ein. Der Kläger hat am 17.5.2004 Klage auf Zahlung der entsprechenden Rechnungsbeträge erhoben und gemeint, die Forderungen seien nicht in die Auseinandersetzungsbilanz einzustellen, sondern könnten gesondert geltend gemacht werden, die "Aufrechnung" der Beklagten sei nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig, jedenfalls aber nach § 130 InsO anfechtbar.

Die Beklagte hat die Verjährungseinrede erhoben.

Der Kläger hat auf Anforderung vom 27.5.2004 die Gerichtskosten am 7.6.2004 eingezahlt (Bl. 81 V + R d.A.). Das LG hat die Klage der Beklagten unter der vom Kläger angegebenen Anschrift nicht zustellen lassen können. Auf die landgerichtliche Rückbriefnachricht vom 17.6.2004 (Bl. 89d.A.) hat der Kläger am 22.6.2004 die richtige Anschrift mitgeteilt (Bl. 90d.A.). Am 30.6.2004 ist die Klage zugestellt worden (Bl. 92d.A.).

Das LG hat der Klage, soweit sie nicht zurückgenommen war, stattgegeben.

Ihre Berufung stützt die Beklagte auf Rechtsausführungen. Sie beantragt, das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II. Die Berufung ist zulässig, aber i.E. unbegründet. Es war zwar im Ansatz zutreffend, die streitgegenständlichen Vergütungsforderungen im Rahmen der Auseinandersetzungsbilanz zu verrechnen. Die Frage der insolvenzrechtlichen Unzulässigkeit einer Aufrechnung stellt sich nicht, weil die Beklagte nicht aufgerechnet, sondern verrechnet hat. Die Klage ist aber begründet, weil der Kläger die Herbeiführung der Verrechnungslage in Kenntnis des gestellten Insolvenzantrages zu Recht angefochten hat (§ 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Verjährt war das Anfechtungsrecht nicht. Im Einzelnen:

1. Die Berufung ist zulässig. Zwar hatte der Beklagtenvertreter versäumt, die erstinstanzliche Parteirolle der Berufungsklägerin in der Berufungsschrift zu bezeichnen. Aus dem dort angekündigten Berufungsantrag auf Klageabweisung und der dem Original der Berufungsschrift beigefügten Urteilsausfertigung war aber ohne Weiteres zu entnehmen, dass die Beklagte Berufungsklägerin sein sollte.

2. Die Berufung ist nicht begründet.

a) Dass die Beklagte die streitgegenständlichen Vergütungsforderungen im Rahmen der Auseinandersetzungsbilanz berücksichtigt und mit ei...

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