Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsrat als Schuldner des seinem Berater zustehenden Honorars

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Betriebsrat ist im Rahmen der ihm nach dem BetrVG obliegenden Aufgaben, seines gesetztlichen Wirkungskreises teilrechtsfähig und insofern in der Lage, Verträge über zugehörige Hilfsgeschäfte zu schließen. Die Entgeltforderung aus dem Hilfsgeschäft, etwa dem Beratungsvertrag, richtet sich demgemäß gegen den Betriebsrat. Seine Mitglieder haften für derartige Verbindlichkeiten grundsätzlich nicht persönlich.

2. Eine Zahlungsklage des Beraters gegen den Betriebsrat ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn der Betriebsrat die Abtretung seines gegen den Arbeitgeber gerichteten Freistellungsanspruchs angeboten hat.

 

Normenkette

BetrVG §§ 40, 111

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.06.2010; Aktenzeichen 2/23 O 453/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 25.10.2012; Aktenzeichen III ZR 266/11)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.6.2010 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage, soweit sie gegen den Beklagten zu 3. gerichtet ist, als unzulässig verworfen wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten oder ihre Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin berät Betriebsräte insbesondere zu betriebswirtschaftlichen Fragen. Sie nimmt den Beklagten zu 3. als Betriebsrat, die Beklagten zu 1. und 2. als dessen Vorsitzenden bzw. stellvertretende Vorsitzende zum Zeitpunkt der Auftragserteilung auf Zahlung des Beratungshonorars in Anspruch.

Die Streithelferin der Beklagten, eine AG mit mehr als 300 Arbeitnehmern, plante im Jahre 2007 verschiedene Umstrukturierungsmaßnahmen, die zum Abbau und zur Verlegung zahlreicher Arbeitsplätze ins Ausland führen sollten. Der Beklagte zu 3. beschloss, sich im Verfahren über einen Interessenausgleich von der Klägerin betriebswirtschaftlich beraten zu lassen; den entsprechenden Auftrag erteilte der Beklagte zu 1. Nachdem die Klägerin ihre Beratungsleistungen erbracht hatte, rechnete sie diese gegenüber dem Beklagten zu 3. in einer Gesamthöhe von 86.762,90 EUR auf der Basis von "Tagewerken" bzw. "Manntagen" ab (Bl. 42 ff. d.A.). Der Beklagte zu 1. reichte diese Rechnungen an die Streithelferin zum Ausgleich weiter. Die Streithelferin zahlte nicht, u. A. weil sie der Ansicht war, die Klägerin habe ihre Leistungen unzureichend dokumentiert und nachgewiesen. Der Beklagte zu 3. beschloss, seinen gegen die Streithelferin gerichteten Anspruch auf Erstattung der bzw. Freistellung von den durch die klägerische Beratungsleistung entstandenen Kosten an die Klägerin abzutreten. Die Klägerin lehnte dieses Angebot ab.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Beklagten zu 1. und 2. seien nicht passiv legitimiert. Der Beklagte zu 3. könne wegen seiner eingeschränkten Rechts- und Vermögensfähigkeit nicht auf Zahlung, sondern nur auf Abtretung seines gegen die Streithelferin gerichteten Freistellungsanspruchs in Anspruch genommen werden; ein Anspruch auf Abtretung sei nicht geltend gemacht worden, abgesehen davon, dass der Beklagte zu 3. diese bereits angeboten habe.

Die Klägerin begründet ihre Berufung mit Rechtsausführungen. Das LG hätte nicht durch die Einzelrichterin entscheiden dürfen, sondern die Sache wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeit der Kammer zur Übernahme vorlegen müssen.

Der Beklagte zu 3. habe als Beratungshonorar vertragsgemäß eine Zahlung und nicht nur eine Abtretung geschuldet; die Frage, ob er hierzu außerstande sei, sei dem Vollstreckungsverfahren vorzubehalten. Die Beklagten zu 1. und 2. hafteten für die Schuld des Beklagten zu 3. analog § 128 HGB; die Annahme des LG, eine persönliche Haftung der Mitglieder eines Betriebsrats für dessen Rechtshandlungen mit Außenwirkung lasse Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit von Betriebsräten besorgen, sei in tatsächlicher Hinsicht unzureichend fundiert.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin

1. 86.762,90 EUR nebst 8 Prozentpunkten Zinsen oberhalb des Basiszinssatzes aus

  • 52.276,70 EUR seit dem 25.2.2008,
  • 34.486,20 EUR seit dem 7.4.2008,

2. 1.999,32 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst 5 Prozentpunkten Zinsen oberhalb des Basiszinssatzes hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten und ihre Streithelferin beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

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