Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufsichtspflicht des Lehrpersonals einer Schule

 

Leitsatz (amtlich)

Die dem Lehrpersonal der Schule obliegende Pflicht, die Schüler während des Sportunterrichts bzw. einer "Bewegungszeit" auf dem Schulgelände zur Verhinderung von Schäden zu beaufsichtigen, stellt eine Amtspflicht im Sinne des § 839 BGB dar, die auch Dritten gegenüber besteht. Sowohl bei der Beaufsichtigung der Schüler durch das Lehrpersonal selbst als auch bei der Organisation dieser Maßnahme handelt es sich um die Ausübung öffentlicher Gewalt i.S.v. Art. 34 GG.

 

Normenkette

GG Art. 34; BGB § 839

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.06.2008; Aktenzeichen 2-4 O 419/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25.6.2008 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

(gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO ohne Sachverhaltsdarstellung) 1. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des beklagten Landes hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung i.S.d. § 546 ZPO; außerdem rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Der Klägerin steht wegen der Beschädigung ihres Fahrzeuges kein Schadensersatzanspruch gegen das beklagte Land zu. Die Voraussetzungen einer Haftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG liegen nicht vor.

a) Allerdings hat das LG zu Recht angenommen, dass die dem Lehrpersonal der Schule obliegende Pflicht, die Schüler während des Sportunterrichts bzw. einer "Bewegungszeit" auf dem Schulgelände zur Verhinderung von Schäden zu beaufsichtigen, eine Amtspflicht i.S.d. § 839 BGB darstellt, die auch Dritten gegenüber besteht. Sowohl bei der Beaufsichtigung der Schüler durch das Lehrpersonal selbst als auch bei der Organisation dieser Maßnahme handelt es sich um die Ausübung öffentlicher Gewalt i.S.v. Art. 34 GG.

b) Entgegen der Auffassung des LG ist aber aufgrund der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme nicht erwiesen, dass eine schuldhafte Verletzung von Aufsichtspflichten oder ein Organisationsverschulden der Schule für den geltend gemachten Schaden ursächlich geworden ist.

aa) Es kann nicht festgestellt werden, dass eine schuldhafte Aufsichtspflichtverletzung der Sportlehrerin, der Zeugin Z1, für die Beschädigungen an dem Fahrzeug der Klägerin kausal geworden ist.

(1) Der die Aufsicht über die Schüler der Klasse 4a während der Sportstunde bzw. der "Bewegungszeit" führenden Zeugin Z1 kann bereits kein Vorwurf einer unzureichenden Beaufsichtigung dieser Schüler gemacht werden, weil nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme noch nicht einmal feststeht, dass der Schaden an dem Fahrzeug der Klägerin durch einen Schüler der Klasse 4a und damit durch einen unter der Aufsichtsverantwortung der Zeugin Z1 stehenden Schüler angerichtet worden ist, was mit der Berufung zu Recht gerügt wird. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass der Stein von einem der Schüler vom Dach der Sporthalle während des Sportunterrichts der Klasse 4a geworfen wurde. Aufgrund der Angaben des Zeugen Z2 kann lediglich angenommen werden, dass der Stein vom Schulgelände aus geworfen wurde; nähere Angaben konnte der Zeuge in diesem Zusammenhang nicht machen. Es steht aufgrund seiner Angaben weder fest, dass der Stein von dem Dach der Sporthalle, auf der Schüler der Klasse 4a Fußball spielten, geworfen wurde, noch steht fest, dass der Stein von einem Schüler der Klasse 4a von einem anderen Ort des Schulgeländes aus geworfen wurde. Der Zeuge Z2 hat insoweit bekundet, habe nicht gesehen, dass ein Kind den Stein geworfen habe. Die Identität des Schädigers konnte auch später nicht ermittelt werden, so dass noch nicht einmal feststeht, dass die Beschädigungen zwingend von einem Schüler der Grundschule "..." verursacht worden sind. Selbst wenn man annehmen wollte, dass eine gewisse Vermutung dafür spricht, dass der Schädiger dem Kreis der Schüler dieser Grundschule zuzuordnen sein könnte, weil der Stein aus Richtung des Schulgeländes kam und das Werfen mit einem Stein eher auf ein kindliches Verhalten hindeutet, so bleibt jedenfalls völlig offen, ob der Schädiger zur Klasse 4a gehörte, deren Beaufsichtigung die Zeugin Z1 während der "Bewegungszeit" übernommen hatte. Die durch diese Ungewissheit verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten der Klägerin.

(2) Eine - für die Beschädigung an dem Fahrzeug der Klägerin kausal gewordene - Aufsichtspflichtverletzung der Zeugin Z1 lässt sich aber auch dann nicht feststellen, wenn man die Behauptung der Klägerin als zutreffend unterstellt, ein Schüler habe den Stein während des Sportunterrichts der Klasse 4a vom Dach der Sporthalle aus auf bzw. gegen ihren Pkw geworfen.

(2.1) Das Maß der gebotenen Aufsicht bestimmt sich nach Alter, Eigenart und Charakt...

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