Entscheidungsstichwort (Thema)

Internationale Zuständigkeit bei Werbung im Internet; Irreführende Werbung durch die Angabe "World's Lightest" für Gepäckstücke; Haftung für Vertriebsunternehmen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für eine im Internet verbreitete Werbung ist gegeben, wenn es sich um eine "de"-Top-Level-Domain handelt und der Internetauftritt keine Hinweise darauf enthält, dass das Angebot sich nicht an deutsche Interessenten richtet; ein solcher Hinweis kann nicht allein in der Verwendung der englischen Sprache gesehen werden.

2. Die in Bezug auf Gepäckstücke verwendete Angabe "World's Lightest" ist irreführend (§ 5 UWG), wenn die Gepäckstücke im Vergleich zu Produkten anderer Hersteller mit ähnlichem Volumen und ähnlichen Maßen nicht die leichtesten der Welt sind. Der erforderliche Produktbezug in diesem Sinn ist auch dann gegeben, wenn sich die genannte Angabe blickfangmäßig hervorgehoben an einem Messestand befindet, auf dem mehrere Gepäckstücke ausgestellt werden.

3. Die in Ziffer 2. genannten Messewerbung ist auch dann irreführend, wenn es sich im eine internationale Fachmesse handelt und der Aussteller selbst die ausgestellten Gepäckstücke nicht nach Deutschland liefert, der inländische Fachbesucher jedoch tatsächlich die Möglichkeit, sich die Gepäckstücke auf anderem Weg aus dem Ausland zu beschaffen.

4. Als Beauftragter (§ 8 II UWG) bzw. Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB) eines Herstellers ist auch ein Vertriebsunternehmen anzusehen, an dem der Hersteller jedenfalls die Mehrheit der Gesellschaftsanteile besitzt und dessen Geschäftstätigkeit er maßgeblich beeinflussen kann.

 

Normenkette

EuGVVO Art. 7 Nr. 2; UWG § 5

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Entscheidung vom 30.11.2017; Aktenzeichen 23 O 345/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird - nach teilweiser Klagerücknahme im Berufungsverfahren - das am 30.11.2017 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1.) Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und gemeinsam zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr in Deutschland zum Zwecke des Wettbewerbs

a) Gepäckstücke und/oder Serien von Gepäckstücken mit dem Hinweis "World's Lightest" zu bewerben, sofern nicht alle beworbenen Gepäckstücke im Vergleich zu Produkten anderer Hersteller mit ähnlichem Volumen und ähnlichen Maßen die leichtesten der Welt sind,

soweit dies geschieht wie nachfolgend dargestellt und auf der Messe "C" vom 27.02. bis 29.02.2016 in Stadt1 erfolgt:

(Von der Darstellung des Bildes wird abgesehen - die Red.)

und/oder

b) Gepäckstücke mit dem Hinweis "World's Lightest" zu bewerben, soweit diese Gepäckstücke im Vergleich zu Produkten anderer Hersteller mit ähnlichem Volumen und ähnlichen Maßen nicht die leichtesten der Welt sind

(i) soweit dies durch auf dem Produkt aufgebrachte Sticker geschieht, wie nachfolgend gezeigt:

(Von der Darstellung des Bildes wird abgesehen - die Red.)

und/oder

(Von der Darstellung des Bildes wird abgesehen - die Red.)

und/oder

(ii) vorstehende Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen

2.) Die Beklagte wird weiter verurteilt, der Klägerin in einem geordneten - auch elektronischen - Verzeichnis Auskunft zu erteilen über sämtliche unter Ziffer 1. fallende Handlungen, unter Angabe der Art, des Zeitpunkts und Verbreitung der Werbemaßnahmen.

3.) Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der der Klägerin durch Handlungen gemäß vorstehender Ziffer 1. entstanden ist und noch entstehen wird.

4.) Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 162,30 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.9.2016 zu zahlen.

5.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,- EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter unlauterer werblicher Äußerungen in Anspruch.

Die Beklagte fertigt und vertreibt wie die Klägerin Gepäckstücke. Sie hat ihren Sitz in Land1. Auf einem Stand der Fachmesse "C" vom 27. bis 29.2.2016 in Stadt1 wurde das Produktportfolio der Beklagten auf einem Messe...

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