Entscheidungsstichwort (Thema)

Unverschuldet verspätete Anzeige durch Betreuer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Anforderungen an den Verschuldensmaßstab des Betreuers der Versicherungsnehmerin

2. Abgrenzung von Risikobegrenzung und verhüllter Obliegenheit

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.02.2019; Aktenzeichen 2-23 O 411/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14.02.2019 teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 30.508,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.10.2015 sowie weitere 1.474,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Leistung von Pflegegeld für den Zeitraum April 2013 bis Februar 2015 aus einer privaten Pflegetagegeldversicherung.

Die frühere Klägerin, Frau A, hatte seit 1997 bei der Beklagten, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unter X Krankenversicherung AG, im Zeitraum ab 2010 unter Y1 Krankenversicherung AG und seit März 2019 unter Y Krankenversicherung AG firmierte, eine Pflegetagegeldversicherung unterhalten. Im Fall einer "Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III)" hatte sich die Beklagte verpflichtet, Pflegetagegeld zu leisten. Zudem sollte die Beitragszahlungspflicht entfallen.

Dem Versicherungsvertrag lagen die "Bedingungen für die Pflege-Tagegeld-Versicherung für die Pflegestufe III mit Gesundheitsfragen - Vertragsgrundlagen Tarif PTS" (im Folgenden als AVB bezeichnet) zugrunde.

Gemäß Ziffer 1 der AVB "Welche Leistungen erbringen wir und was ist nicht versichert?", dort Ziffer 1.3 Abs. 1, sollte der Anspruch auf die Versicherungsleistungen mit dem Antrag auf Leistungen, frühestens jedoch mit Eintritt des Versicherungsfalls, entstehen.

Ziffer 1. 3 Abs. 2 der AVB lautet wörtlich:

"Wird der Antrag nach Ablauf des Monats gestellt, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, ist der Leistungsanspruch vom Beginn des Monats der Antragstellung gegeben. Bei einer unverschuldet verspäteten Anzeige des Versicherungsfalls werden die Leistungen jedoch rückwirkend erbracht."

Wegen des weiteren Inhalts des Vertrags wird im Übrigen auf die AVB Bezug genommen (Anlage K5, Bl. 29 ff d.A.).

Am 09.10.2006 hatte die frühere Klägerin ihrem Ehemann, dem Kläger zu 1), eine Vorsorgevollmacht erteilt, die unter anderem auch die Vertretung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten umfasste. Auf die Anlage K2 (Bl. 16 f. d.A.) wird verwiesen. Zudem hatte die frühere Klägerin am 09.10.2006 verfügt, dass im Falle der Errichtung einer Betreuung der Kläger zu 1) als Betreuer eingesetzt werden sollte (Anlage K3, Bl. 18 f d.A.).

Die frühere Klägerin erlitt im ... 2012 einen schweren Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung, vollständigem Verlust der Sprachfähigkeit und erheblicher Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens und wurde aufgrund dessen ab April 2013 in die damals geltende Pflegestufe III eingestuft.

Der Kläger zu 1) übernahm die häusliche Pflege und Betreuung der früheren Klägerin und nahm in diesem Zusammenhang auch zur Kenntnis, dass monatliche Abbuchungen an die Beklagte mit dem Vermerk "Y-Krankenversicherung" erfolgten.

Am 10.02.2015 meldete der Kläger zu 1) den Versicherungsfall telefonisch bei der Beklagten. Diese bewilligte die Zahlung von Pflege-Tagegeld im vertraglich vereinbarten Umfang von 45,74 EUR ab Februar 2015. Eine rückwirkende Leistungserbringung für den Zeitraum ab April 2013 lehnte die Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 24.06.2015 ab. Die frühere Klägerin nahm daraufhin anwaltliche Hilfe in Anspruch; das anwaltliche Aufforderungsschreiben vom 14.10.2015, in welchem der Beklagten eine Leistungsfrist bis zum 27.10.2015 gesetzt worden war, blieb ebenfalls ohne Erfolg.

Mit der am 11.01.2017 erhobenen Klage hat die frühere Klägerin die Beklagte auf Leistung von Pflege-Tagegeld für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 31.01.2015 in Höhe von 45,47 EUR kalendertäglich in Anspruch genommen, abzüglich der Zeiträume 27.06.-28.06.2013 und 10.11.-11.11.2013, in denen sich die frühere Klägerin in stationärer Behandlung befand.

Die frühere Klägerin ist am XX.XX.2017 verstorben. Die jetzigen Kläger sind die Erben der früheren Klägerin und haben den Rechtsstreit aufgenommen.

Die Kläger haben behauptet, der Versicherungsvertrag sei von der früheren Klägerin in einem Ordner mit der Aufschrift "Testament" abgelegt worden. Der Kläger zu 1) habe die Abbuchungen der Beklagten zunächst für Beiträge zu einer Zusatz-Krankenversicherung gehalten und erstmals im Feb...

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