Entscheidungsstichwort (Thema)

Fußgänger. Kollision. Radfahrer. Zusammenstoß. Keine Haftung des Fußgängers bei Kollision mit Radfahrer auf gemeinsamem Geh- und Radweg

 

Leitsatz (amtlich)

Tritt ein Fußgänger aus einem Hofeingang auf einen gemeinsamen Geh- und Radweg gemäß Zeichen 240 zu § 41 StVO, muss er nicht mit einem nah an der Fassade entlangfahrenden Radfahrer rechnen. Er haftet deshalb nicht für Schäden, die durch eine Kollision in dieser Situation entstehen.

 

Normenkette

StVO § 41

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Entscheidung vom 16.12.2010; Aktenzeichen 3 O 210/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 16. Dezember 2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Auch das angefochtene Urteil wird für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 115.155,90 € festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Verkehrsunfalls, der am 1. März 2009 um 12.50 Uhr in der ...straße vor dem Haus Nummer ... in ... stattgefunden hat. Der Kläger befuhr mit seinem Fahrrad den mit Kennzeichen Z 240 gekennzeichneten Fuß- und Radweg, der an dem Grundstück ...straße ... entlangführte. Die Beklagte trat aus dem Tor des sich dort befindlichen Gemeindezentrums auf den Gehweg. Der Lenker des Fahrrads des Klägers verfing sich in der Handtasche der Beklagten, sodass der Kläger mit dem Fahrrad stürzte und sich schwer am Kopf verletzte.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein fahrlässiges verkehrsordnungswidriges Verhalten der Beklagten sei nicht feststellbar. Auf einem gemeinsamen Rad- und Gehweg hätten Radfahrer keinerlei Vorrang vor Fußgängern, sondern hätten umgekehrt auf diese Rücksicht zu nehmen und ihre Fahrweise so einzurichten, dass jede Gefährdung vermieden werde. Der Kläger habe sich grob fahrlässig verkehrswidrig verhalten, als er keinen ausreichenden Abstand zum Grundstückseingang eingehalten habe. Es erscheine als lebensfremde Überspannung allgemeiner Sorgfaltspflichten, einem Fußgänger in der Situation der Beklagten aufzuerlegen, vor Verlassen eines Grundstücks und Betreten des öffentlichen Gehwegs zunächst gleichsam um die Ecke zu "lugen", ob sich auf dem Gehweg etwas bewege.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Er führt aus, dass keine ausreichenden Anhaltpunkte dafür vorlägen, dass der Kläger mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei. Der Kläger habe auch einen ausreichenden Abstand zum Grundstückseingang gehalten. Zum Unfall sei es vielmehr deshalb gekommen, weil die Beklagte unachtsam einen Schritt aus dem Grundstück herausgetreten sei, ohne darauf zu achten, ob sich Radfahrer näherten.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 16.12.2010, Aktenzeichen 3 O 210/10, zugestellt am 3. Januar 2011,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15.155,90 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und kapitalisierter Zinsen aus 13.611,66 € für den Zeitraum vom 01.10.09 bis 31.05.10 in Höhe von 287,38 €;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen zukünftigen Schäden zu ersetzen, die aus dem Verkehrsunfallereignis vom ....03.09 resultieren, soweit sie nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind;

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 100.000,00 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12,00 € Gerichtskosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und ihn freizustellen von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 3.441,58 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit durch Zahlung des Betrages an die Rechtsanwälte X und X.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat die Beklagte informatorisch angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z1 und Z2. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 9. Oktober 2012 Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat im Ergebnis und in der Begründung zutreffend festgestellt, dass der Kläger...

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