Leitsatz (amtlich)

Ärztebewertungsportal mit Basisdaten und Nutzerbewertungen

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Urteil vom 08.11.2018; Aktenzeichen 7 O 599/18)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.02.2022; Aktenzeichen VI ZR 692/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. November 2018 verkündete Urteil des Landgerichts Hanau - 7 O 599/18 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,- EUR festgesetzt (Berufung: 7.000,- EUR, Anschlussberufung: 3.000,- EUR).

 

Gründe

I. Die Klägerin ist eine Augenärztin in Stadt1. Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.(X).de ein Arztsuche - und Arztbewertungsportal, auf dem Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe kostenfrei abgerufen werden können.

Die Klägerin begehrt die Entfernung ihrer auf dieser Internetseite veröffentlichen Daten, hilfsweise die Entfernung einer dort ersichtlichen negativen Kritik.

Die Beklagte bietet als ihre eigenen Informationen die sog. Basisdaten eines Arztes an, wozu zumindest der Name, die Fachrichtung, Praxisanschrift bzw. Praxisstandorte, Kontaktdaten und ggf. weitere praxisbezogene Informationen gehören. Daneben sind Bewertungen abrufbar, die Nutzer in Form eines Notenschemas, aber auch in Form von Freitextkommentaren abgegeben haben.

Ein Bild der Ärzte wird nicht gezeigt, lediglich ein Schattenriss.

Daneben bietet die Beklagte Ärzten im Rahmen von "Premium-Paketen" entgeltlich an, ihr Profil mit einem Foto und zusätzlichen Informationen zu versehen ("Besondere Darstellung auf X.de"), zu einer besseren Auffindbarkeit bei der Suchmaschine Google beizutragen und "exklusive Inhalte und Betreuung" zu nutzen. Auf einen entsprechenden Bildschirmausdruck wird verwiesen (Bl. 80 f. d. A.).

Die Profile zahlender Ärzte, die zwischen einer Gold- und einer Platinmitgliedschaft wählen können, werden in der rechten oberen Ecke als "Anzeige" gekennzeichnet und farblich hervorgehoben, wie auf Bl. 39 ff. d. A. ersichtlich ist. Daneben werden sie aber wie alle - ohne farbliche Hervorhebung - in die Liste eingestellt. Eine Sortierung der Ärzte nach der Gesamtnote erfolgt nicht.

Die Beklagte wirbt bei Ärzten für ihre "Serviceleistungen" mit dem Hinweis, dass zahlende Kunden - wie 95 % der Premienkunden - mit ihrem X-Profil bei Google auf Seite 1 gelistet werden und Goldkunden deutlich häufiger von Patienten aufgerufen würden und wegen der Portraitfotos und der Praxisbilder auffällig mehr Interesse bei Patienten hervorriefen als Ärzte, die nur mit ihren Basisdaten aufgeführt seien.

Die Klägerin erfuhr Anfang des Jahres 2018, dass auf der Internetseite der Beklagten zu ihrer Position eine negative Bewertung eingestellt wurde, in der sie in ihrer augenärztlichen Tätigkeit als "arrogant, unfreundlich, unprofessionell" bezeichnet wurde. Die Klägerin bat die Beklagte um Löschung dieser Bewertung und um Mitteilung des Urhebers/ der Urheberin der Kritik. Letzteres wurde abgelehnt, die Bewertung indes in der Folgezeit zunächst unsichtbar, nach einem Diskurs mit der Rezensentin indes wieder sichtbar gemacht.

Auch die Löschung der Basisdaten der Klägerin, in deren Eintragung sie nicht eingewilligt hatte, lehnte die Beklagte ab. Die Klägerin wird auf dem Portal der Beklagten mit ihrem Namen, ihrer Fachrichtung und ihrer Praxisanschrift geführt.

Bei Abruf der Suche nach Augenärzten in Stadt1 erscheint sie unter "9 Augenärzten in Stadt1" mit der Angabe einer Gesamtnote und weiteren Praxisstandorten (vgl. Bl. 82 f. d. A.).

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zur Löschung der Daten der Klägerin verpflichtet. Die Beklagte betreibe ihr Arztsuche- und Arztbewertungsportal rein aus wirtschaftlichen Gründen und mit Gewinnerzielungsabsicht. Sie könne sich nicht auf die Meinungs- und Medienfreiheit berufen. Jedenfalls sei ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 GG als vorrangig zu bewerten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Basisdaten der Klägerin aus dem von ihr betriebenen Arztbewertungsportal X, bestehend aus dem

Vor- und Zunamen der Klägerin sowie den Praxisanschriften

Straße1, Stadt2, Straße2, Stadt1

und Straße3, Stadt3 und der Bezeichnung

Augenpraxis A Standort Stadt2 nebst Telefonnummer zu

löschen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und darauf verwiesen, dass es sich angesichts der farblichen Hervorhebung der Premiumkunden in als "Anzeige" bezeichneten Feldern um keinen Fall der verdeckten Vorteilsverschaffung handele, zumal die eigentliche Auflistung der Ärzte davon nicht betroffen sei.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 95 bis 96 R d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgeben. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der a...

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