Leitsatz (amtlich)

Auch wenn ein großes Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung unter bestimmten Umständen die Einschaltung eines Rechtsanwalts bei der Anforderung von Vertragsstrafen wegen einer Vielzahl unterschiedlicher Verstöße gegen Unterlassungserklärungen eines Mitbewerbers als erforderliche Aufwendung ansehen kann, könne die erstattungsfähigen Rechtsverfolgungskosten durch die Geltendmachung der Vertragsstrafe gem. § 340 Abs. 2 BGB getilgt sein.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, § 340 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.05.2005; Aktenzeichen 3/8 O 180/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 08.05.2008; Aktenzeichen I ZR 88/06)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.5.2005 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat die Klage abgewiesen, soweit mit ihr Rechtsverfolgungskosten wegen der Anforderung einer Vertragsstrafe i.H.v. 219,70 EUR nebst Zinsen geltend gemacht werden. Zur Begründung hat es ausgeführt, diese Kosten seien weder nach § 9 UWG noch nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. der Unterlassungserklärung der Beklagten vom 16.3.2000 oder nach §§ 677, 683 BGB zu erstatten. Zwar hafte die Beklagte der Klägerin wegen des festgestellten Wettbewerbsverstoßes dem Grunde nach auf Schadensersatz gem. §§ 3, 5, 9 UWG und § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. der Unterlassungserklärung. Die Klägerin könne deshalb den ihr dadurch entstandenen Schaden ersetzt verlangen. Zu diesem Schaden gehörten grundsätzlich auch die Rechtsverfolgungskosten. Allerdings habe der Schädiger nicht schlechthin alle durch einen Wettbewerbsverstoß/Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung dieser Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen seien. Daran fehle es im vorliegenden Fall, weil es sich bei der Klägerin um ein größeres Wirtschaftsunternehmen mit eigener Rechtabteilung handele und die Geltendmachung der Vertragsstrafe einen dem Grunde und der Höhe nach einfach gelagerten Sachverhalt betreffe. Darüber hinaus stehe einer Erstattung auch § 340 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB entgegen. Die Parteien hätten diese gesetzliche Tilgungsbestimmung nicht abbedungen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie vertritt die Auffassung, die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten ergebe sich bereits aus §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB. Die Kosten für ein Vertragsstrafeanforderungsschreiben seien unter diesem Gesichtspunkt ebenso ersatzfähig wie die Kosten für ein Abschlussschreiben. Daneben sei § 12 Abs. 1 S. 2 UWG jedenfalls analog anwendbar, weil die Interessenlage insofern der bei der Versendung eines Abschlussschreibens entspreche. Des Weiteren stehe ihr wegen der entstandenen Rechtsverfolgungskosten ein Schadensersatzanspruch zu. Dem stehe die Regelung des § 340 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Denn die Parteien hätten diese Regelung konkludent abbedungen. Dies ergebe sich daraus, dass die Funktion als Sanktionsmittel, die im vorliegenden Fall im Vordergrund gestanden habe, vollständig verloren ginge, wenn tatsächlich eingetretene Schäden immer erst dann geltend gemacht werden könnten, wenn sie höher seien als die versprochene pauschale Schadensersatzsumme.

Schließlich seien die entstandenen Rechtsverfolgungskosten in Folge der Verletzungshandlung notwendig entstanden. Dies gelte ungeachtet der Tatsache, dass sie über eine eigene Rechtsabteilung verfüge. Es sei bislang kein Fall vorgekommen, bei dem bereits der Sachverhalt tatsächlich und rechtlich von der Rechtsabteilung der Klägerin so bearbeitet worden sei, dass lediglich noch die Abmahnung oder Anforderung der Vertragsstrafe durch den von ihr beauftragten Rechtsanwalt anzufordern sei. Vor allem sende ihre Rechtsabteilung keine vorformulierten Abmahnungen oder vorformulierte Anschreiben, die an die Schuldnerin gerichtet seien, an den von ihr beauftragten Rechtsanwalt. Dieser nehme in jedem Fall eine selbständige Prüfung vor. Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin zur Tätigkeit ihrer Rechtsanwälte bei der Verfolgung von Wettbewerbs- oder Vertragsverstößen nicht entgegen.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte weiter zu verurteilen, an sie 219,70 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB hieraus seit dem 30.11.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholun...

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