Leitsatz (amtlich)

Der Inhaber eines Internetanschlusses haftet grundsätzlich nicht als Störer für die unberechtigte Nutzung einer WLAN-Verbindung durch unberechtigte Dritte, die mit ihm in keinerlei Verbindung stehen.

 

Normenkette

BGB § 1004

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-3 O 19/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.05.2010; Aktenzeichen I ZR 121/08)

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Unterlassung des Einstellens einer Tonträgerproduktion in sog. Tauschbörsen im Internet sowie Schadens- und Aufwendungsersatz.

Die Klägerin vermarktet den Tonträger "..." mit einer Aufnahme des Künstlers A. Sie beauftragte die Firma B AG zur Überwachung des Titels im Internet. Mit der von diesem Unternehmen entwickelten Software lässt sich feststellen, von welchem Anschlussinhaber eine Datei zum Herunterladen im Internet angeboten wird.

Am 8.9.2006 um 18.32 Uhr wurde mit Hilfe dieser Software ein Nutzer mit der IP-Adresse ... erfasst, der zu diesem Zeitpunkt den Tonträger "..." anderen Teilnehmern der Tauschbörse C zum Download anbot. Nach den im Rahmen der eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingeholten Auskünften der D war die IP-Adresse zum fraglichen Zeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet (Bl. 41 ff. d. A).

Die Klägerin begehrt Unterlassung, Zahlung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzananlogie i.H.v. 150 EUR sowie Erstattung der Kosten für das vorgerichtliche Abmahnschreiben i.H.v. 325,90 EUR.

Sie hat behauptet, es sei davon auszugehen, dass der WLAN -Anschluss des Beklagten aktiviert, aber nicht ausreichend gesichert gewesen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, die Tonträgerproduktion "..." mit Darbietungen des Künstlers A im Internet in sog. Tauschbörsen über Peer-to-Peer-Netzwerke bereitzustellen oder auf sonstige Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 475,90 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 %punkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.9.2006 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, vor Urlaubsantritt habe er einen Sammelstecker und damit sämtliche technischen Geräte, also seine komplette PC-Anlage und auch den Router abgeschaltet. Sein WLAN-Router sei nicht aktiviert gewesen. Ferner hat er bestritten, dass die IP-Adresse richtig ermittelt worden sei.

Das LG hat der Klage bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Wegen der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz und der Begründung der Entscheidung wird auf das angefochtene Urteil vom 5.10.2007 (Bl. 156 ff. d.A.) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags den Klageabweisungsantrag weiter verfolgt.

Insbesondere ist er der Auffassung, das LG habe die von der Klägerin vorgelegten Erkenntnisse - seine IP-Adresse - der Entscheidung wegen eines Beweisverwertungsverbotes nicht zugrunde legen dürfen, da es sich dabei um Verkehrsdaten i.S.v. § 3 Nr. 30 TKG handele, die dem Fernmeldegeheimnis unterlägen. Die gewünschte Datenauskunft der Staatsanwaltschaft Frankfurt/M. auf das entsprechende Begehren der Klägerin habe daher eines richterlichen Beschlusses gem. §§ 100g, 100h StPO bedurft.

Die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene "Entschlüsselung der IP-Adresse" stelle einen Grundrechtseingriff dar, der nicht aus sachfremden Erwägungen allein zur Beschaffung von Beweismitteln für ein Zivilverfahren hätte erfolgen dürfen. Die auf unzulässige Art beschafften Erkenntnisse hätten deshalb nicht zur Grundlage des Urteils gemacht werden dürfen.

Die von der Kammer angenommene Rechtsverletzung sei ausgeschlossen. Jedenfalls wäre sie nicht fahrlässig verursacht worden. Bei der dargelegten Konzeption der Computeranlage habe er, der Beklagte, als IT-Laie davon ausgehen müssen, dass die Anlage gegen unberechtigte Zugriffe von Außen absolut geschützt sei. Die von der Klägerin als sicherste Methode eingestufte WPA 2-Verschlüsselung sei im in Rede stehenden Zeitpunkt noch nicht verwendungsfertig gewesen.

Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 5.10.2007 verkündeten Urteils des LG Frankfurt/M. die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres früheren Vorbringens. Sie meint, der Inhaber eines Internet-Anschlusses eröffne eine Gefahrenquelle und habe daher sicherzustellen, dass sein Anschluss nicht durch Dritte für Rechtsverletzungen genutzt werde. Das Überlassen eines Internetzugangs berge die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit, dass Dritte Rechtsverletzungen der vorliegenden Art im Schutze der vom Anschlussinhaber geschaffenen Anonymität begehen. In Printmedien, Rundfunk- und Fernsehsendungen werde imme...

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