Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Zustimmung zur Corona-Schutzimpfung auf einen Elternteil

 

Normenkette

BGB § 1628

 

Verfahrensgang

AG Darmstadt (Beschluss vom 24.06.2022; Aktenzeichen 53 F 546/22 SO)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die nicht miteinander verheirateten Eltern, welche das gemeinsame Sorgerecht für ihren am XX.XX.2009 geborenen Sohn A ausüben, streiten darüber, ob ihr gemeinsamer Sohn gegen das Corona Virus SARS-CoV-2 geimpft werden soll. A lebt im Haushalt der Beschwerdeführerin.

Das betroffene Kind ist am 20.12.2021 an SARS-CoV-2 erkrankt, die Erkrankung verlief bei ihm mit milden Symptomen. Eine zunächst für den XX.XX.2022 geplante Impfung des Kindes beim Kinderarzt musste abgesagt werden, da die Beschwerdeführerin dieser nicht zugestimmt hat.

Der Antragsteller und Kindesvater befürwortet die Impfung des gemeinsamen Sohnes.

Er hat mit Schriftsatz vom 31.03.2022 beantragt, ihm die alleinige Befugnis zur Entscheidung über die Impfung seines Sohnes zu übertragen. Zur Begründung verweist er darauf, dass der Kinderarzt die Impfung empfehle und A selbst in seinem Gespräch mit dem Kinderarzt seine Zustimmung erklärt habe. Auch die behandelnde Allergologin empfehle die Impfung unbedingt.

Die Kindesmutter ist der Impfung ihres Sohnes entgegengetreten. Sie verweist darauf, dass bei einer erneuten Infektion von einem milden Verlauf bzw. einem Verlauf ohne Krankheitssymptome auszugehen sei. A sei infolge der natürlichen Infektion nach wie vor immunisiert. Nach ihrer Einschätzung seien aufgrund der nur bedingten Zulassung der mRNA-Impfstoffe langfristige Impffolgen in Studien noch gar nicht erfasst, es handele sich um eine experimentelle Gentherapie. Es bestehe die Gefahr, dass die Impfung zu einer Myokarditis führe. A dürfe wegen vorliegender Kontraindikationen nicht gegen Covid-19 und nicht gegen eine andere Krankheit geimpft werden, er sei impfunfähig. Er leide seit frühester Kindheit an einer Vielzahl von Allergien und an einer Autoimmunerkrankung (Neurodermitis). Schon nach der ersten Kinderimpfung sei es zu einer akuten Impfreaktion mit Fieberschüben und Unruhe gekommen.

Das Amtsgericht hat die Stellungnahme eines Verfahrensbeistandes eingeholt. Dieser hat in seinem Bericht vom 20.06.2022 unter anderem ausgeführt, dass A ihm gegenüber erklärt habe, verunsichert zu sein. Er wisse nicht, welchen Argumenten er Glauben schenken solle.

Das Amtsgericht hat A am 23.06.2022 im Beisein des Verfahrensbeistands persönlich angehört. A hat dabei erklärt, dass er wohl nicht geimpft werden möchte. Er habe mit seinem Kinderarzt über die Vor- und Nachteile der Impfung gesprochen, dieser habe ihn auch über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt. Danach sei er total verunsichert gewesen. Mittlerweile habe er sich doch eher eine Meinung gebildet und möchte selbst wohl nicht geimpft werden.

Zur jeweiligen weiteren erstinstanzlich vorgebrachten Argumentation der Kindeseltern und zur Sachverhaltsdarstellung im Übrigen wird auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das Amtsgericht hat dem Kindesvater mit Beschluss vom 24.06.2022 die Entscheidungsbefugnis über die Zustimmung zu einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-19 gemäß § 1628 Abs. 1 BGB antragsgemäß übertragen und den Antrag der Mutter zugleich zurückgewiesen. Der Kindesvater verfolge im Hinblick auf die Impfung das für das Kindeswohl bessere Konzept. Er orientiere sich an den Empfehlungen der STIKO und der das Kind langjährig behandelnden Ärzte, dem Kinderarzt B und der Allergologin C. Die Mutter hingegen berufe sich auf ein Attest des Arztes D, der A erst zweimal gesehen habe, dem noch nicht einmal eine Diagnose entnommen werden könne. Der Vortrag der Kindesmutter, bei dem Kind bestehe möglicherweise eine der Impffähigkeit entgegenstehende Allergie oder Autoimmunerkrankung führe nicht dazu, dass die Impffähigkeit des Kindes im hiesigen Verfahren zu überprüfen sei. Vielmehr gehöre die Prüfung der Impffähigkeit zu den ärztlichen Pflichten vor der Vergabe der jeweiligen Impfung, ebenso eine Aufklärung über Kontraindikationen. Der Sorge der Mutter um die körperliche Unversehrtheit des Kindes im Hinblick auf den Impfvorgang werde durch eine den Empfehlungen der STIKO entsprechenden Behandlung aufgegriffen. Für den Impfvorgang sei eine am Kindeswohl orientierte Vorgehensweise mit im Einzelnen dargestellten Handlungsvorschlägen empfohlen.

Die Mutter könne nicht damit durchdringen, dass der entgegenstehende Wille des Kindes eine Impfung ausschließen würde. A sei zwar sicherlich altersgemäß entwickelt, aber nicht einwilligungsfähig in Bezug auf die Impfung, da er durch die Positionen der Eltern völlig verunsichert sei. Auf der Basis seiner Angaben sei eine verantwortungsbewusste Abwägung zwischen Chancen und Risiken überhaupt nicht möglich, bei ihm domin...

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