Leitsatz (amtlich)

Für den Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückzahlung von nach Insolvenzeröffnung an die Finanzbehörden gezahlter Bauabzugssteuer ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 27.06.2003; Aktenzeichen 2/4 O 44/03)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. v. 27.6.2003 aufgehoben.

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für zulässig erklärt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem beklagten ... auferlegt.

Der Beschwerdewert beträgt 500,- EUR.

Die Beschwerde an den BGH wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Der Kläger nimmt das beklagte ... auf Rückzahlung einbehaltener Bauabzugssteuer in Anspruch.

Mit Beschluss des AG Hanau v. 1. 6. 2000 wurde über das Vermögen der B. M. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Zum Ausgleich einer Werklohnforderung für Bauleistungen der Schuldnerin verpflichtete sich die H. AG im Vergleichswege einen Betrag von 142.122,94 EUR an den Kläger zu zahlen.

Die H. AG meldete daraufhin unter dem 12. 7. 2002 beim Finanzamt O. die hierauf entfallende Bauabzugssteuer an und entrichtete am 17.7. 2002 einen Betrag von 21.388,44 EUR an das Finanzamt. Hiervon entfallen 19.505,41 EUR auf Bauleistungen, die vor der Insolvenzeröffnung erbracht worden waren. Der Kläger hat die Rückzahlung dieses Betrages begehrt. Daraufhin hat die Finanzbehörde mitgeteilt, den Betrag mit Lohnsteuerforderungen für Februar 2000 und mit Umsatzsteuern für September 1999 zu verrechnen.

Mit dem Kläger am 24. 7. 2003 zugestellten Beschluss v. 27. 6. 2003 hat das LG ausgesprochen, dass der Rechtsweg vor den Zivilgerichten unzulässig ist, und den Rechtsstreit an das Hessische Finanzgericht in Kassel verwiesen. Hiergegen hat der Kläger am 29. 7. 2003 sofortige Beschwerde eingelegt.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 17 a Abs. 2 GVG, § 567 ZPO). Sie führt auch zum Erfolg.

Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich beim Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswegzuweisung nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Es kommt darauf an, ob sich das Klagebegehren nach den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen bei objektiver Würdigung aus einem Sachverhalt herleitet, der nach bürgerlichem Recht zu beurteilen ist (BGH v. 7.5.1991 - IX ZR 30/90, BGHZ 114, 315 ff. = MDR 1991, 860).

Hier nimmt der Kläger, der sich ausdrücklich auf insolvenzrechtliche Vorschriften beruft, das beklagte ... auf Rückzahlung von Leistungen in Anspruch, die die H. AG nach § 48 Abs. 1 S. 1 EStG nach Insolvenzeröffnung für Rechnung des Schuldners an das Finanzamt O. erbracht hat. Nach dieser Bestimmung ist als Leistender nicht die H. AG, sondern der Schuldner selbst anzusehen (Kirchhof, EStG, 3. Aufl., § 48 Rz. 8). Die Leistung der H. AG ist mithin insolvenzrechtlich ebenso zu behandeln wie eine Zahlung, die der Schuldners selbst vorgenommen hat (BFH v. 13.11.2002 - I B 147/02, FR 2003, 259 = ZIP 2003, 173 ff.). Verfügungen über einen Gegenstand der Insolvenzmasse - hier des der Masse geschuldeten Vergleichsbetrags -, die der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vornimmt, sind gem. § 81 Abs. 1 InsO unwirksam. Wenn der Kläger das beklagte ... auf Rückzahlung in Anspruch nimmt, macht er somit einen Anspruch aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung und nicht, wie das beklagte ... meint, einen solchen auf Erstattung gem. § 48 c EstG, geltend. Nach der Rechtsnatur der zu beurteilenden Verhältnisse handelt es sich mithin um eine bürgerliche Rechtsstreitsstreitigkeit, für die der Zivilrechtsweg gegeben ist

Dem steht nicht entgegen, dass im Rahmen des Rechtsstreits auch darüber zu befinden ist, ob das beklagte ... berechtigt war, mit einer vor Insolvenzeröffnung entstandenen Lohnsteuer- und Umsatzsteuerforderung aufzurechnen. Das für die Hauptforderung zuständige Gericht hat auch über rechtswegfremde zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen zu entscheiden (Baumbach/Hartmann/Albers, ZPO, 61. Aufl., § 17 GVG Rz. 6). Dies gilt hier erst recht, nachdem der Kläger geltend macht, die Aufrechnungslage sei erst nach Verfahrenseröffnung entstanden und die Aufrechnung mithin gem. § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO unzulässig und damit unwirksam.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Beschwerdewert entspricht dem Interesse des Klägers, Kosten, die durch eine Verweisung entstehen können, zu entgehen. Er wird gem. § 3 ZPO auf 500,- EUR geschätzt.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Beschwerde an den BGH gem. § 17 a Abs. 4 GVG liegen nicht vor. Die Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der Senat weicht auch nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1216793

DStZ 2004, 280

EWiR 2004, 915

ZIP 2004, 584

NZI 2004, 640

ZInsO 2004, 399

InsbürO 2004, 78

NZBau 2004, 391

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