Normenkette

ZPO § 524 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Aktenzeichen 1 O 582/02)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 30.04.2003; Aktenzeichen V ZB 71/02)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 17.6.2002 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Hanau wird als unzulässig verworfen.

Die Rücknahme der Berufung des Beklagten hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels zur Folge. Damit ist auch die von den Klägern am 16.8.2002 eingelegte Anschlussberufung wirkungslos geworden.

Von den Kosten der Berufungsinstanz hat der Beklagte 48 %, die Kläger haben 52 % zu tragen.

Der Streitwert für den zweiten Rechtszug wird auf 18.800 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Kläger haben gegen das am 16.7.2002 zugestellte Urteil des LG mit Schriftsatz vom 16.8.2002 an diesem Tag „selbstständige Anschlussberufung” eingelegt.

Zuvor hatte der Beklagte am 9.8.2002 Berufung eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 2.10.2002 zurückgenommen hat.

Am 13.9.2002 haben die Kläger beantragt, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Die Entscheidung über diesen Antrag hat der Senat bis zum Eingang der Akten zurückgestellt.

Am 16.10.2002 ist eine Berufungsbegründung der Kläger eingegangen und Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des abgewiesenen Teils der Klage gestellt worden.

Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 1.10.2002, die unselbstständige Anschlussberufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Kläger tragen vor, beim Diktat und bei Unterschrift des Schriftsatzes vom 16.8.2002 sei dem Prozessbevollmächtigten ein Irrtum unterlaufen. Er habe das als Berufung beabsichtigte Rechtsmittel nur versehentlich statt als „selbstständige Berufung” als „selbstständige Anschlussberufung” bezeichnet. Weil eine Berufung beabsichtigt gewesen sei, sei das Rechtsmittel nicht begründet gewesen. Die geänderten Vorschriften der ZPO seien dem Prozessbevollmächtigten aufgrund einer Schulung bekannt gewesen.

Hierzu legen sie eine anwaltliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten vor. Auch nach früherem Recht sei es so, dass eine Anschlussberufung im Falle der Rücknahme der Berufung vom Senat so zu behandeln wäre, als ob es sich um eine Berufung handele.

Der Schriftsatz vom 16.8.2002 nehme auch ausdrücklich auf die Zustellung des Urteils Bezug, was bei einer Anschlussberufung überflüssig sei.

Die Anschlussberufung der Kläger vom 16.8.2002, die mangels beigefügter Begründung bereits unzulässig war (§ 524 Abs. 3 ZPO), hat mit Rücknahme der Berufung des Beklagten ihre Wirkung verloren; § 524 Abs. 4 ZPO.

Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 16.10.2002 zum Ausdruck gebracht, dass sie das Rechtsmittel als Berufung weiterverfolgen wollen und die Berufung begründet.

Hierin ist die Einlegung einer Berufung zu sehen, diese ist jedoch verfristet nach § 517 ZPO, da sie nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils eingegangen ist, und aus diesem Grunde gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Entgegen der Auffassung der Kläger wurde mit der Einreichung des Schriftsatzes vom 16.8.2002 dagegen keine Berufung gegen das Urteil des LG eingelegt.

Der Schriftsatz ist unzweifelhaft überschrieben mit den Worten „selbstständige Anschlussberufung”.

Die Anschlussberufung ist jedoch kein selbstständiges Rechtsmittel, sondern ein im Rahmen fremder Berufung gestellter Sachantrag, der im Falle der Berufungsrücknahme kraft Gesetzes wirkungslos wird.

Eine Auslegung des Schriftsatzes als Berufung scheitert daran, dass ein eindeutiger Wille, ein Rechtsmittel unabhängig vom Schicksal der Berufung des Gegners einlegen zu wollen, sich dem Schriftsatz vom 16.8.2002 nicht entnehmen lässt.

Eine Prozesspartei hat nach neuem wie nach altem Recht die Wahl zwischen der Einlegung der Berufung und der Anschließung an die Berufung des Gegners. Ein durch Rücknahme der Berufung misslungener Anschluss kann nur ausnahmsweise in eine eigenständige Berufung umgedeutet werden.

Hat eine Partei ihr Angriffsmittel ausdrücklich als Anschlussberufung bezeichnet, so ist es auch dann als solche zu behandeln, wenn es in offener Berufungsfrist eingelegt ist (Zöller, 23. Aufl., § 524 ZPO Anm. 6). Will der Berufungsbeklagte sich die Berufung unabhängig vom Rechtsmittel des Gegners erhalten, so ist er gehalten, selbst Berufung einzulegen (Zöller, 23. Aufl., § 524 ZPO Anm. 6).

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Kläger eine selbstständige Anschlussberufung einlegen wollten.

Aus dem Schriftsatz vom 16.8.2002 ergibt sich, dass der Prozessbevollmächtigte möglicherweise verkannt haben könnte, dass das Rechtsmittel der selbstständigen Anschlussberufung nach § 522 Abs. 2 a.F. ZPO durch die seit 1.1.2002 geltende ZPO abgeschafft ist.

Dies stellen die Kläger mit Schriftsatz vom 25.11.2002 jedoch in Abrede und tragen vor, es habe sich um einen Diktatfehler gehandelt, das Wort „Anschluss” sei versehentlich eingefügt worden. Dieser Irrtum des Prozessbevollmächtigten, den die Kläger sich zurechnen lassen müssen, ist zumindest nach dem Inhalt des Schriftsatzes nicht offenkundig, da die E...

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