Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen deutscher Personengesellschaften mit ausländischen persönlich haftenden Gesellschaftern

 

Leitsatz (amtlich)

Gerichtsstandsvereinbarungen deutscher Personengesellschaften mit ausländischen persönlich haftenden Gesellschaftern sind an Art. 25 Brüssel-la-VO (Verordnung Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) zu messen. § 38 ZPO findet keine Anwendung.

 

Normenkette

Brüssel-Ia-VO Art. 25; HGB § 128; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3, § 38

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 15.07.2021; Aktenzeichen 2-23 O 74/20)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Örtlich zuständiges Gericht ist das Landgericht Frankfurt am Main.

 

Gründe

I. Die Klägerin wurde von der aus den Beklagten zu 2) und 3) bestehenden Beklagten zu 1), einer als GbR auftretenden Bau-ARGE, mit Arbeiten an den Gewerken Erdbau, Oberbau und Entwässerung für das öffentliche Bauvorhaben ... "X" beauftragt. Sie macht gegen die Beklagte zu 1) als Auftraggeberin und gegen die Beklagten zu 2) und 3) als Gesellschafter der Beklagten zu 1) Nachtragsvergütungsansprüche geltend. Der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) geschlossene Bauvertrag enthält eine Vereinbarung zu Frankfurt am Main als Gerichtsstand (Ziffer 20, Seite 11 Anlage H18).

Die Klägerin hat ihre Klage zum Landgericht Frankfurt am Main erhoben. Die Vorsitzende der dort zuständigen 32. Zivilkammer hat bereits im Zuge der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens auf Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 3) hingewiesen (Bl. 58 d.A.). Mit Schriftsatz vom 23.03.2021 haben die Beklagtenvertreter dementsprechend die örtliche Zuständigkeit hinsichtlich dieser beiden Beklagten gerügt (Bl. 76 d.A.). Im Zuge der Klageerwiderung (Bl. 87 ff. d.A.) haben sie ohne entsprechende Beschränkung ausgeführt, das Landgericht Frankfurt am Main sei örtlich unzuständig. Ausschließlich zuständiges Gericht sei das Landgericht Neuruppin als Gericht des Erfüllungsortes (S.3, 17 f., Bl. 89, 103 f. d.A.). Dem hat die Klägerin mit der Replik vom 17.06.2021, S. 2, Bl. 114 d.A. widersprochen und dabei auf die Gerichtsstandsvereinbarung und darauf hingewiesen, dass diese auch für die persönlich haftenden Gesellschafter gelte. Mit Verfügung vom 24.06.2021 hat die Vorsitzende auf weiterbestehende Zuständigkeitsbedenken hingewiesen und ausgeführt, die Gerichtsstandsvereinbarung sei nach § 38 I ZPO wohl unzulässig. Sie hat einen Verweisungsantrag angeregt. Mit Schriftsatz vom 30.06.2021, Bl. 174 d.A., hat der Klägervertreter die Verweisung an das Landgericht Neuruppin beantragt.

Mit Beschluss vom 15.07.2021, Bl. 181 f. d.A., hat sich das Landgericht Frankfurt am Main für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gem. § 281 ZPO an das Landgericht Neuruppin verwiesen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, die Gerichtsstandsvereinbarung sei gem. § 38 I ZPO unzulässig. Einziger für alle Beklagten in Betracht kommender Gerichtsstand sei der des Erfüllungsortes gem. § 29 ZPO.

Nach einem entsprechenden Hinweis mit Verfügung vom 17.08.2021, Bl. 190 d.A., durch den Vorsitzenden hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin die Übernahme mit Beschluss vom 30.08.2021 abgelehnt und das Verfahren an das Landgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen. Die Kammer hat zur Begründung ausgeführt, der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt am Main sei willkürlich, weil die offensichtliche Zuständigkeit dieses Gerichts für die Beklagte zu 2) missachtet worden sei, was dem Beschluss seine Bindungswirkung auch hinsichtlich der übrigen Beklagten nehme. Im Übrigen habe es das Landgericht Frankfurt am Main grob fehlerhaft unterlassen, Anhaltspunkte für die Annahme eines Handelsgewerbes der Beklagten zu 1) zu prüfen. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main für alle Beklagten folge aus der Gerichtsstandsvereinbarung. Diese sei gem. § 38 I ZPO wirksam, da es sich bei der Beklagten zu 1) entgegen ihrer Bezeichnung um eine offene Handelsgesellschaft und nicht um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handele.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Sache sodann dem Oberlandesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 I Nr. 6 ZPO vorgelegt.

II. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 I Nr. 6 ZPO liegen vor, da sich sowohl das Landgericht Frankfurt am Main, als auch das Landgericht Neuruppin für örtlich unzuständig erklärt haben. Die Zuständigkeitsbestimmung ist gem. § 36 II ZPO durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main vorzunehmen, da das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der beiden Landgerichte der Bundesgerichtshof wäre und das zum hiesigen OLG-Bezirk gehörende Landgericht Frankfurt am Main zuerst mit der Sache befasst gewesen ist.

III. Das Landgericht Frankfurt am Main ist als örtlich zuständiges Gericht zu b...

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