Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Es handelt sich um eine Frage der Vereinigungsfreiheit oder des Betätigungsrechtes einer Koalition i. S. von § 2 I Nr. 2 ArbGG, wenn streitig ist, ob sich eine Koalition in bestimmter, von ihr in Anspruch genommener Weise als Koalition betätigen darf. Insbesondere betrifft der Streit das Betätigungsrecht, wenn er darum geführt wird, wie die Befugnisse der Gewerkschaften zur Werbung und Betreuung von Mitgliedern im Betrieb gegenüber den Rechten des Unternehmers aus seinem Eigentum und dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb abzugrenzen sind.

  • 2.

    Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs kann entgegen dem Grundsatz des § 17 a V GVG auch noch im Beschwerdeverfahren überprüft werden, wenn in der Beschlussphase eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes bis zur erstinstanzlichen Entscheidung der Antragsgegner nicht beteiligt war, da er unter diesen Umständen in erster Instanz keine Gelegenheit zu einer die Zulässigkeit des Rechtswegs betreffenden Rüge gemäß § 17 a III Satz 2 GVG hatte.

  • 3.

    Das gilt auch dann, wenn dem erstinstanzlichen Gericht eine Schutzschrift des Antragsgegners vorliegt und das Gericht diese dem Antragsteller zur Kenntnis bringt, solange eine Anhörung des Antraggegners zu dem konkret gestellten Antrag unterbleibt. In diesem Fall stellt die Anhörung des Antragsgegners im Beschwerderechtszug für diesen die erste Gelegenheit dar, die Rüge der Unzulässigkeit des Rechtswegs anzubringen, über die nach § 17 a III Satz 2 GVG durch das Beschwerdegericht zu entscheiden ist.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-12 O 59/07)

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin, nach eigenen Angaben einer der führenden IT-Dienstleister in der Finanzbranche mit Hauptsitz in Frankfurt am Main, beschäftigt in ihrem Unternehmen mehr als 3.300 Mitarbeiter, die über 300 Sparkassen in Deutschland betreuen. Die Antragsgegnerin zu 1). eine der größten Gewerkschaften in Deutschland hat u.a. einen Fachbereich "Finanzdienstleistungen" gebildet, zu dem auch der Bereich "Sparkassen" gehört. Der Antragsgegner zu 4) ist als "Bundesfachgruppenleiter Sparkassen" für den Fachbereich "Sparkassen" der Antragsgegnerin zu 1) zuständig. Die Antragsgegnerin zu 2) ist ein Landesbezirk der Antragsgegnerin zu 1). Ihr Landesbezirksleiter ist der Antragsgegner zu 3).

Am 12.2.2007 versandten die Antragsgegner zu 3) und 4) an sämtliche über 3000 Mitarbeiter der Antragstellerin gleichlautende E-Mails (Muster s. Anl. AS 4, Bl. 93-96 d.A.), mit denen sie unter dem Betreff "Information 01/07 der Gewerkschaft ver.di zum Vorgehen und Forderungseckpunkte zum Standortkonzept SI" über Aktivitäten der Antragsgegnerin zu 1) informierten; zugleich kündigten sie an, sich auch künftig "intensiv und direkt auf diesem Weg des Mailings" unmittelbar an die Mitarbeiter der Antragstellerin wenden zu wollen. die Adressaten wurden aufgefordert, über eine "Replay-Adresse" Meinungen oder Fragen mitzuteilen. Über einen weiteren Link wurde ihnen auch die Möglichkeit gegeben, sich aus dem Verteiler zu löschen.

Durch anwaltliches Schreiben vom 28.2.2007 (Anl. AS 6, Bl. 122-124 d.A.) forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) auf, derartige - von der Antragstellerin als rechtswidrig bezeichnete - Aktionen in Zukunft zu unterlassen und bis zum 2.3.2007 eine entsprechende strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung zu erklären. Zugleich wandte die Antragstellerin sich durch einen E-Mail-Rundbrief vom 28.2.2007 (Anl. AS 7, Bl. 125 f d.A.) an ihre Mitarbeiter, in dem sie unter Hinweis auf eine Gesamtbetriebsvereinbarung der Antragstellerin mit ihrem Gesamtbetriebsrat vom 23.11.2006 (Anl. AS 5: 97-121) erklärte, die Antragsgegnerin zu 1) habe die E-Mail-Adressen bzw. eine Mitarbeiterliste ohne ihr Wissen und Einverständnis erlangt und die Antragstellerin werde derartige Eingriffe in ihr Netzwerk wie die fragliche Mailing-Aktion nicht tolerieren. Die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) haben die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben.

Die Antragstellerin hat vorgetragen, es handele sich bei der Mailing-Aktion um einen rechtswidrigen Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht sowie in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Antragsgegner seien insbesondere nicht berechtigt, die ohne Wissen und Wollen der Antragstellerin und damit rechtswidrig erlangten E-Mail-Adressen ihrer Mitarbeiter und ihr Netzwerk (Intranet) zu nutzen. Der Eingriff sei nicht durch die Ausübung ihrer gewerkschaftlichen Rechte, nach Art. 9 Abs. 3 GG (Koalitionsfreiheit), gerechtfertigt. Den Antragsgegnern sei deshalb durch die beantragte einstweilige Verfügung aufzugeben, die unangekündigte oder ohne Einverständnis der Antragstellerin erfolgende Übersendung von E-Mails an die dienstlichen E-Mail-Adressen ihren Mitarbeiter und eine Weitergabe dieser E-Mail-Adressen an Dritte zu unterlassen.

Die Antragsgegnerin zu 1) hat in einer bei dem LG Frankfurt am Main hinterlegten Schutzschrift vom 2.3.2007 (Bl. 128-133 d.A.) beantragt, einem even...

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