Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Klavier spielende Miteigentümer

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 62 UR II 150/81)

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2/9 T 913/82)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Wert: 5.000,– DM.

 

Gründe

Die Beteiligten zu 1. und 2. sind Miteigentümer der im Rubrum bezeichneten Wohnanlage. Die Eigentumswohnung der Antragsgegnerin liegt über der des Antragstellers. Der Antragsteller verfolgte mit einem Unterlassungsantrag das Ziel, der Antragsgegnerin jegliches Klavierspiel zu untersagen, hilfsweise ihr nur eine Spielzeit von täglich einer Stunde, außer Samstag und Sonntag, einzuräumen. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 27.9.1982 der Antragsgegnerin eine Spielzeit von täglich vier Stunden, sonntags und an Feiertagen von täglich zwei Stunden, zugesprochen. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht nach umfänglicher Beweisaufnahme mit Beschluß vom 6.4.1984 die Spielzeit der Antragsgegnerin auf durchgehend täglich anderthalb Stunden beschränkt. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin, der der Antragsteller entgegengetreten ist.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Der angefochtene Beschluß beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung, worauf allein er nachzuprüfen war.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Unterlassungsantrag des Antragstellers (§§ 1004, 906 BGB) nicht mit der Folge begründet sein kann, der Antragsgegnerin das Klavierspiel gänzlich zu untersagen (Art. 2 GG, § 138 BGB; vgl. Bärmann-Pick-Merle, WEG, 5. Aufl. § 15 Rdnr. 9; OLG Hamm, NJW 81, 465) und auch eine Beschränkung auf die Zimmerlautstärke – weil einem Musizierverbot ähnlich – nicht in Betracht kommt (vgl. OLG Oldenburg Nds. Rpfl. 77, 214, 215). Entgegen dem Vortrag der weiteren Beschwerde stellen aber andererseits die vom Landgericht festgesetzten anderthalb Stunden Spielzeit täglich kein Musizierverbot dar; dem Landgericht sind insoweit Rechtsfehler nicht unterlaufen. Das Landgericht hat als Tatsachengericht festgestellt, daß die Beeinträchtigung des Antragstellers und seiner Ehefrau wesentlich und störend ist (§ 906 II BGB). Es durfte sich dabei sowohl auf die Meßergebnisse des Schallschutzsachverständigen … stützen, die zulässigerweise unter Heranziehung der Erfahrungswerte der DIN- und VDI-Richtlinien beurteilt worden sind (vgl. BGHZ 46, 35; LM Nr. 32 zu § 906 BGB = WM 69, 1042; MK-Säcker § 906 Rdnr. 32, 49), als auch, wegen der Grenzen der Meßtechnik, auf seine eigenen Empfindungen anläßlich des Ortstermins am 6.9.1983 (BGHZ 46, 35), die entgegen dem Vortrag der weiteren Beschwerde ersichtlich auch in die Bemessung der Spielzeit eingeflossen sind. Deswegen mußte das Landgericht bei der Würdigung des Beurteilungspegels auch nicht das erstinstanzliche Gutachten des Sachverständigen … heranziehen und Mittelwerte bilden, zumal dort der Schallpegel im Schlafzimmer des Antragstellers nicht abschließend gemessen und bei der Beweisaufnahme durch das Landgericht erstmals – um dem Einwand des Antragstellers zu begegnen, die Antragsgegnerin würde in Beweisterminen bewußt leiser spielen – auch ein Sachverständiger zu der Spielweise und Spielstärke der Antragsgegnerin gehört worden ist, diese also praktisch unter Aufsicht gespielt hat.

Das Landgericht hat weiter rechtsfehlerfrei die wesentliche Beeinträchtigung des Antragstellers und seiner Ehefrau durch das Klavierspiel der Antragsgegnerin dann als nicht mehr ortsüblich bezeichnet, wenn der festgesetzte Rahmen und die erlaubte Spielzeit überschritten werden, weil dann auf die Lebensumstände und Erwartungen der Mitbewohner keine Rücksicht mehr genommen und übersehen wird, daß auch der Antragsteller seinerseits an der eigenen ortsüblichen Wohnnutzung nicht unzumutbar gehindert werden darf (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 43. Aufl., § 906 Anm. 3 b bb). Den damit notwendigen Interessenausgleich hat das Landgericht vorgenommen; sein Ergebnis, das auch die Tatsache einbezieht, daß die Antragsgegnerin eine passionierte Klavierspielerin ist, die auch von sich aus schon Schalldämmungsmaßnahmen vorgenommen hat, ist nicht zu beanstanden.

Der in der Rechtsbeschwerdeinstanz gehaltene Vortrag zur Berufstätigkeit des Antragstellers vermag eine Aufhebung und Zurückverweisung nicht zu begründen. Die Antragsgegnerin hat in den Tatsacheninstanzen jedenfalls nicht vorgetragen, daß der Antragsteller, der das Verfahren auch seiner Ehefrau wegen angestrengt hat, ihr gesamtes Klavierspiel wegen berufsbedingter Abwesenheit überhaupt nicht wahrnehmen kann. Entgegen dem Vortrag der weiteren Beschwerde ist auch kein Ausnahmefall gegeben, bei dem der von der Geräuscheinwirkung gestörte Antragsteller seinerseits zu Schallabwehrmaßnahmen auf eigene Kosten verpflichtet wäre. Ein solcher Ausnahmetatbestand ...

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