Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindeswohlprüfung bei Umgangsrecht des leiblichen Vaters

 

Normenkette

BGB § 1686a

 

Verfahrensgang

AG Dieburg (Beschluss vom 07.03.2016; Aktenzeichen 50 F 608/13)

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 06.12.2016; Aktenzeichen 1 BvR 2046/16)

 

Tenor

1. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

2. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Auslagen werden nicht erstattet.

3. Der Gegenstandswert wird auf 3.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das betroffene Kind ist ... Jahre alt. Es lebt seit seiner Geburt im Haushalt der Eltern. Der Beteiligte zu 5) war im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet. Wie ein im vorliegenden Verfahren eingeholtes Abstammungsgutachten ergab, ist der Antragsteller der leibliche Vater des Kindes.

Der Antragsteller und die Beteiligte zu 4) (im Folgenden: die Mutter) waren (...) beide kinderlos verheiratet. Anfang ... entstand zwischen ihnen eine Beziehung. Nachdem die Mutter eine Schwangerschaft feststellte, hat sie den Beteiligten zu 5) (im Folgenden: der Vater) von den Umständen in Kenntnis gesetzt. Die Eltern haben sich entschlossen, die Ehe fortzusetzen und das Kind als ihr eigenes aufzuziehen. Sie haben X nicht über ihre wirkliche Abstammung informiert. In der Anhörung vor dem AG haben sie erklärt, sie wollten es dem Kind erst sagen, wenn es danach frage. Beide Eltern haben Angst vor der Reaktion der Großeltern auf eine Offenlegung der Umstände. (...)

Der Antragsteller hat im Januar 2007 durch Anwaltsschreiben den Wunsch geäußert, Kontakt zu X zu halten, was die Eltern abgelehnt haben.

(Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgesehen - die Red.)

Der Antragsteller hat 20xx ein Umgangsverfahren betrieben, welches in beiden Instanzen erfolglos blieb. Seine Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Eine vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhobene Individualbeschwerde hat er nicht weiter betrieben, nachdem die Bundesrepublik Deutschland ihm im Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Gerichtshofs zum Umgangsrecht des leiblichen Vaters eines gemäß § 1592 Nr. 1 BGB dem Ehemann der Mutter zugeordneten Kindes eine Entschädigung bezahlt hat.

Im vorliegenden Verfahren erstrebt der Antragsteller, gestützt auf den im Hinblick auf die angesprochenen Entscheidungen des EGMR eingeführten § 1686a BGB, Umgang mit dem und Information über das Kind. Er ist der Auffassung, ein Kontakt zu ihm werde X nutzen, weil ihr dann im Falle des Ausfalls der Eltern eine Ersatzperson zur Verfügung stehe, und weil sie durch die Zuwendung eines weiteren Erwachsenen Aufwertung und zusätzliche Anregung erfahre. Die Eltern sind dem Antrag entgegengetreten. Aus ihrer Sicht habe der Antragsteller kein Interesse am Kind (...).

Der Verfahrensbeistand und das Jugendamt haben in ihren Stellungnahmen auf die Komplexität der Situation hingewiesen. Der Verfahrensbeistand hält längerfristig die Unterrichtung des Kindes über seine Abstammung für notwendig und empfiehlt die Begleitung der Eltern und des Antragstellers durch eine Erziehungsberatung. Dem Kind dürfe die Wahrheit nicht einfach durch Umgang mit dem Antragsteller unvorbereitet aufgedrängt werden.

Das AG hat nach der Abstammungsuntersuchung ein psychologisches Sachverständigengutachten zur Frage der Kindeswohldienlichkeit des Umgangs eingeholt. Die Ablehnung der Sachverständigen durch die Eltern wegen Besorgnis der Befangenheit hat der Senat mit Beschluss vom 30.11.2015 für begründet erklärt.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das AG den Antrag auf Umgang zurückgewiesen und die Eltern verpflichtet, den Antragsteller halbjährlich u.a. durch Übermittlung von Zeugniskopien und zwei aktuellen Fotos über Xs Werdegang zu informieren. Die Feststellung, dass Umgang mit dem Antragsteller dem Wohl des Kindes diene, sei nicht möglich, weil es über seine Abstammung nicht aufgeklärt sei. § 1686a BGB gebe keine Grundlage, Eltern zu zwingen, ihr Kind über seine wirkliche Abstammung zu unterrichten.

Der Antragsteller und die Eltern haben gegen diese Entscheidung form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt. Der Antragsteller verfolgt das Umgangsbegehren weiter. Es gehe nicht an, dass Eltern das Umgangsrecht des leiblichen Vaters durch Verschweigen der wahren Abstammung gegenüber dem Kind aushebeln könnten. Er sei dann faktisch gezwungen, seine Position zu verbessern, indem er das Kind eigenmächtig über seine Abstammung in Kenntnis setze. Die Eltern treten der Beschwerde entgegen. Sie wüssten nicht, wann der richtige Zeitpunkt sei, X zu informieren. (...).

II. Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das AG hat ihm zu Recht keinen Umgang mit dem Kind ermöglicht.

Im Ausgangspunkt hat das AG das Umgangsbegehren des Antragstellers trotz dessen Unterliegen in dem vorausgegangenen Verfahren am Maßstab des § 1686a BGB gemessen. Die Abänderungsschwelle des § 1696 ist erreicht, weil die auf Grund der gesetzlichen Neuregelung...

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