Leitsatz (amtlich)

Die Anwendungsbereiche der Absätze 1 und 2 des § 18 VersAusglG schließen sich nicht gegenseitig aus (entgegen BGH FamRZ 2012, 192).

Sobald weitere geringfügige Anrechte in die Gesamtabwägung einzubeziehen sind, wird eine ergebnisoffene Prüfung zunächst des Abs. 1 und anschließend des Abs. 2 sowohl dem Halbteilungsgrundsatz als auch dem Sinn und Zweck des § 18 VersAusglG, eine Verwaltungsvereinfachung zu ermöglichen und Splitterversorgungen zu vermeiden, im Einzelfall häufig besser gerecht.

 

Normenkette

VersAusglG § 18

 

Verfahrensgang

AG Michelstadt (Beschluss vom 13.05.2015; Aktenzeichen 42 F 1/15 S)

 

Tenor

Der Beschluss des AG - Familiengericht - Michelstadt vom 13.05.2015, Az. 42 F 1/15 S, wird im Ausspruch zum Versorgungsausgleich unter II. um eine neue Ziffer 3 wie folgt ergänzt:

3. Ein Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund... findet nicht statt.

Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000,- Euro festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.* [*... wurde jedoch nicht eingelegt.]

 

Gründe

Mit der nur von der Deutschen Rentenversicherung Bund (weitere Beteiligte zu 1.) teilweise angefochtenen Entscheidung hat das AG die Ehe der Antrag-stellerin und des Antragsgegners geschieden sowie den Versorgungsausgleich dahingehend durchgeführt, dass vom Anrecht der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund... ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts von 2,7914 Entgeltpunkten (entsprechend einem korrespondierenden Kapitalwert von 18.389,67 Euro) zugunsten des Rentenkontos des Antragsgegners übertragen wurde. Der Ausgleich eines weiteren Anrechts der Antragstellerin mit einem Ausgleichs-wert von 612,75 Euro bei der... Lebensversicherung unterblieb gem. § 18 Abs. 2 und 3 VersAusglG wegen Geringfügigkeit. Ergänzend wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen. Über ein inzwischen bekannt gewordenes ehebezogenes Anrecht des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund... ist keine Entscheidung ergangen, weil der Antragsgegner in erster Instanz noch davon ausgegangen war, kein solches Anrecht erworben zu haben.

Nach der Auskunft der Beschwerdeführerin vom 05.06.2015 hat jedoch auch der Antragsgegner bei ihr in der vom 01.12.2009 bis zum 31.12.2014 währenden Ehezeit ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 0,1803 Entgeltpunkten erlangt. Die Beschwerdeführerin hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 0,0902 Entgeltpunkten zu bestimmen.

Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 594,24 Euro.

Die beschränkte Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Bund ist gemäß §§ 58 ff., 228 FamFG zulässig und führt in der Sache zu der aus dem Tenor ersichtlichen ergänzenden Entscheidung zu II. 3.

Das im Beschwerdeverfahren neu bekannt gewordene Anrecht des Antrags-gegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ist gleichartig im Sinne der §§ 10, 18 Abs. 1 VersAusglG mit dem Anrecht der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund. Die Differenz der maßgeblichen Kapitalwerte beider Anrechte überschreitet den für das Ende der Ehezeit gültigen Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG von 3.318,00 Euro, so dass ein Ausschluss des wechselseitigen Ausgleichs nach § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht in Betracht kommt. Das Anrecht des Antragsgegners bei der Beschwerdeführerin überschreitet allerdings mit seinem Ausgleichswert (Kapitalwert 594,24 Euro) nicht den oben genannten Grenzwert und ist deshalb gem. § 18 Abs. 3 VersAusglG für sich genommen ein geringfügiges Anrecht, das grundsätzlich als Einzelanrecht unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Ausgleich ausgeschlossen werden könnte, wenn man nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgte, dass bei gleichartigen Anrechten im Sinne des § 18 Abs. 1 VersAusglG die Anwendung von § 18 Abs. 2 VersAusglG schon durch den Wortlaut der Vorschrift gesperrt sei. Zwischen § 18 Abs. 1 und 2 VersAusglG bestehe kein Stufenverhältnis, sondern die Anwendungsbereiche beider Absätze schlössen sich aus (BGH FamRZ 2012, 192 ff. und 325 f., m.w.N. auch zum früheren Streitstand). Soweit der BGH damit erreicht, dass im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung bei zwei sich gegenüber stehenden gleichartigen und damit auch gem. § 10 VersAusglG verrechenbaren Anrechten ungeachtet ihres Einzelwertes dem Halbteilungsgrundsatz der Vorrang zukommt, ist dem zwar gegen die teilweise erhobene Kritik, damit werde die Sollvorschrift § 18 VersAusglG praktisch zur Ausnahmevorschrift, für die entschiedenen Fälle im Ergebnis zuzustimmen (Schwamb FamRB 2012, 89 ff. m.w.N.), denn § 18 VersAusglG rechtfertigt eine Ausnahme vom Halbteilungsgrundsatz nur dann, wenn damit die Zwecke der Verwaltungsvereinfachung und Vermeidung von Splitterversorgungen auch erreicht werden können. Jedoch gibt es nicht selten Fallkonstellationen, in denen sich neben einem d...

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